2016: Kreuzfahrt westliches Mittelmeer

Zuerst chillen an der Côte d’Azur und dann rauf aufs Mittelmeer.

Reisezeit: 10. – 24. Juli 2016
Kreuzfahrtschiff: Costa neoClassica

Reiseroute westliches Mittelmeer:
Savona, Italien
Porto Ferraio, Insel Elba, Italien
Capri, Italien
Salerno, Amalfiküste, Italien
Catania, Sizilien, Italien
Valletta, Malta
Trapani, Sizilien, Italien
Olbia, Sardinien, Italien
Propriano, Korsika, Frankreich
Toulon, Frankreich

Das Apartment hat die Größe des Kartons einer Minipizza. Ausgestattet mit dem Nötigsten erfreut es sich Spartanität auf höchstem Niveau. Meine Gedanken drehen durch, als ich heute morgen davon träumte, Licht in meiner fensterlosen Duschkabine zu haben. Gäbe es keine Wände, würde man den Eindruck haben, direkt auf dem Zebrastreifen der Hauptverkehrsstraße zu schlafen. Noch vor Sonnenaufgang weckt mich die städtische Müllabfuhr mit einer sanften Melodie. Ich glaube, ein Glascontainer hat ebenfalls vor meinem Haus sein schattiges Plätzchen gefunden. Recyceln sollte man bitte nicht vor 5:30 Uhr, liebe Anwohner! Ja, und würde ich auch nur ein klein wenig mehr französisch als Bitte und Danke verstehen, hätte ich heute Nacht damit zugebracht eine mehrbändige Enzyklopädie über ein nachbarschaftliches Ehedrama zu schreiben. Auch gegenüber bei „Chez Marie“ gibt es keine Ruhezeiten. Mittendrin statt nur dabei! Ich überlege, mir mein Frühstück aus dem Fenster rufend zu bestellen und mit einem gekonnten Wurf in die erste Etage liefern zu lassen.

Hm, ich weiss jetzt nicht so genau, ich es der dauerhafte Alarmton des Weckers von nebenan oder ein nicht enden wollender Feueralarm. Ich entschied mich für Variante drei, das Grundrauschen meines schnupfenbedingten Tinnitus in meinem rechten Ohr. Dann drehte ich mich noch einmal in meinem Hochbett um bis die unüberhörbaren Straßenbauarbeiten begannen. Es war unmissverständlich Zeit zum Aufstehen.

Mein Tag beginnt mit einer kalten Dusche in meiner unbeleuchteten Nasszelle. Warmes Wasser wird überschätzt. Licht auch. Schnell gelernt sitzt bald jeder Handgriff nahezu in Perfektion. Zur optischen Überprüfung gehe ich schnell in den 24h Minimarkt an der Ecke, die haben einen Ganzkörperspiegel am Eingang. Sicherheitshalber pack ich zum Nacharbeiten noch schnell mein Reiseglätteisen ein.

Dann erfreute ich mich über einen streng riechenden Käse auf Zwieback und den eindringlichen Wunsch, Chez Marie würde mal kurz eine Pause einlegen.

Der Tag beginnt. Guten Morgen Nizza!


Die gute Nachricht: Ich kann wieder hören. Ob das nun wirklich eine gute Nachricht ist oder ob nicht doch noch ein weiterer Tag mit der Hälfte des Hörvermögens ein Segen gewesen wäre, ich sage, zweites lässt sich nicht ganz verleugnen. 5 Portugalfans feiern in meinem kleinen Gässchen vor meinem offenen Fenster den Sieg als gäbe es kein Morgen mehr. Anhand der Geräuschkulisse zerlegen sie gerade mehrere Autos. Es kann aber auch sein, dass Möbel aus dem Fenster geworfen werden oder ein Moped vom Dach gefallen ist. Es herrscht Ausnahmezustand bei lauschigen 28 Grad im mitternächtlichen Nizza.

Nein, es gibt aber keinen Grund zur Klage! Schlimmer geht immer, denn fast hätte ich den Sonnenunter- und -aufgang auf dem „Le Chateau“ erleben dürfen. Alle Wege den Berg nach unten folgend endeten an einer verschlossenen grünen Eisentür. Kein Schlüssel unter einem Stein versteckt, keine Notklingel, für die schnelle Rettung zwischendurch, keine Notrufnummer. Nix. Nur ich und das grüne mit einer dicken Kette gesicherte Tor. – Nunja, da stand ich nun, ganz allein vor diesem nicht zu öffnenden grün lackierten Gittertor. Kurz vor Beginn des Finalspieles Frankreich – Portugal. Ich konnte die Fanmeile hören, als wäre ich mittendrin. Doch keiner hörte mein zaghaftes Wimmern, keiner sah meine verzweifelten Blicke. Die ganze Stadt im Fußballfieber. Hm. Ja. Nun. — Klettern war keine Option, es gab böse Eisenspitzen am oberen Ende. Weinen auch nicht. Beten hätte man können, hätte aber sicher auch so viel gebracht wie im Kreis tanzen und singen. Eine Flasche Wasser wäre jetzt gut gewesen. Und eine Idee von MacGyver. Ich hatte ja nicht einmal einen durchgekauten Kaugummi in der Tasche mit dem ich ein Bungeeseil hätte basteln können. Meine Fallschirmidee scheiterte am nicht Vorhandensein eines Taschentuches und ausreichend stabilen Schnüren. Einen Tunnel zu graben schloss ich aus. Oh, ich könnte mir eine Pizza liefern lassen und statt Getränk und Dessert einen Bolzenschneider mitbestellen. – Naja, schön war es hier oben schon und der Ausblick war toll in der untergehenden Sonne. Leider war der Friedhof schon geschlossen, sonst gäbe es wenigstens traumhafte Fotos der Engel im Sonnenuntergang.

Naja, ich mach es mal kurz, obwohl der Weg runter zur Strandpromenade unendlich lang und herausfordernd war. Nach 4 gescheiterten Versuchen und zahlreichen sportlich bergauf, bergab gelaufenen Höhenmetern fand ich ein weiteres grünes Eisentor. Ich sah schon von Weitem wie mich das dicke Vorhängeschloss mit seiner unkaputtbaren Eisenkette lautlos angrinste. Es scheint also besigelt. Ich war Geisel des Nizza Tourismusverbandes und mußte wohl die Nacht auf einem Moosbett auf dem Berg verbringen. Zusammen mit all dem Getier, dass mich die letzten Stunden rascheln im Unterholz begleitete. – Mit meinem letzten hoffnungsvollen Blick erfasste ich ein schmales Tor neben der zugeketteten Durchfahrt. Ich betete kurz zur allen mir bekannten religiösen Wesen, drückte eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, wollte noch kurz auf die Knie fallen, fand das dann aber doch ein wenig zu theatralisch. Meine Hand streckte sich zum Knauf, ich drehte langsam daran, er bewegte sich. Das Tor ging auf! Ich war in Freiheit!!! Nizza, ich bin wieder da! Ich hatte den Berg besiegt! – Ja, ich vermute da hatte wohl ein nachlässiger Schlunzer vergessen alle Türen ordentlich abzuschließen. Oh, ich danke dir für diese Unachtsamkeit! – Und morgen … morgen werde ich mich um 20 Uhr auf die Treppe vor das grüne Tor setzen, dem Abschließen der Tür mit einer guten Flasche Wein beiwohnen und dann all den auf dem Berg eingeschlossenen Touristen von unten zuwinken. Vielleicht verkaufe ich auch Wasser und Kaugummis und Taschentücher.

Wetter: 31 Grad und ganz schön warm
Ort: Nizza
Gelaufene Kilometer: 17,5

Reiseroute westliches Mittelmeer 2016:
Savona, Italien
Porto Ferraio, Insel Elba, Italien
Capri, Italien
Salerno, Amalfiküste, Italien
Catania, Sizilien, Italien
Valletta, Malta
Trapani, Sizilien, Italien
Olbia, Sardinien, Italien
Propriano, Korsika, Frankreich
Toulon, Frankreich