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All posts for the month Juli, 2016

Da glaubst du, endlich mindestens 200 verschiedene Schrittfolgen des Tango zu beherrschen, all deine Energie bis zur physischen Erschöpfung zu geben, den Körper in Position und Spannung zu halten, dabei den Rhythmus nicht aus den Ohren zu verlieren, die nächste Figur zu erfühlen, Körperkontakt zu halten, die Schultern zu entspannen, Knie gebeugt zu lassen, den Kopf an der richtigen Stelle in die korrekte Haltung zu werfen ohne dabei ein Schleudertrauma zu provozieren und mit lächelnden Gesichtszügen über das Parkett zu schweben -das allein ist schon eine sportliche Höchstleistung für mich, wenn man bedenkt, dass ich mich sonst nur rhythmisch bewegt habe, wenn mein kleiner Zeh ernstzunehmenden Kontakt mit einem Türrahmen aufgenommen hat- und nach all diesen gemeisterten Herausforderungen sagt mein Tanzlehrer, dem mindestens genauso die Schweißperlen in atemberaubender Geschwindigkeit über das Gesicht liefen:“ Perfect, but ….“ Hä? Wie bitte? „Perfect, BUT??? Was zur Hölle hat das BUT… in diesem anfänglich so schönen Satzbau verloren? Perfect hätte mir völlig gereicht!! Warum musste dieser wunderbare Satzanfang mit brachialer Gewalt in die Schrottpresse rutschen? Eine verbale Inkontinenz die in etwa die gleiche Bedeutung hat wie: Jaqueline-Sophie, du hast aber ein schönes Bild gemalt, darf ich das als Klopapier benutzen?

Es war alles perfekt, BUT nicht so richtig, oder was? Hey, du mit den Klugscheißerblick, sag doch mal sowas wie „great, yes, excellent, fabulous“ irgendwas mit 2 mal hintereinander „very, very“ oder wenigstens mit „I like.“ Und ja, ich möchte dich nur sehr ungern daran erinnern, dass du mir heute mehrfach auf den Fuß getreten bist. Kack egal, ob mein Fuß da falsch stand!

Fest steht, nach dem heutigen Tanztraining benötige ich keine Erholung, sondern eine ausgedehnte Delphintherapie! — Hm. Keine Delfine in der Nähe. Um Schuhe zu kaufen, war es zu spät. Die Bar auf Deck 8 hat noch nicht geöffnet. Nur das Beautydeck war in Reichweite. Das muss zur Kompensation des psychischen Schmerzes erst einmal reichen. Ich brauche dringend Zuwendung und einen Satz ohne …, BUT.

…..

Sie haben mich gekriegt. Heute haben sie mich eingefangen. 10 Tage hatte ich es geschafft, sämtliche Aktivitäten in weitem Bogen zu umfahren. Ich nahm weder an Bastelkursen mit den vielversprechenden Namen „Wir binden uns aus bunten Plastiklöffeln einen Blumenstrauß“ oder „Häkeln bis zum Sonnenuntergang“ noch an Sportveranstaltungen wie „Ich ringe mit meinen Fettzellen“ oder „Nein, mein Hintern hängt nicht, er chillt nur“ teil. Doch heute, war ich geschwächt. Meine Abwehrkräfte zogen winkend und lächelnd an mir vorbei. Ich war allen Verlockungen schutzlos ausgeliefert.

17:00 Uhr. Das Beautyseminiar beginnt. Einmal dabei sein, dachte ich mir und so saß ich mit 5 schlecht gekleideten italienischen Diven und einem Herrn, der der Zwillingsbruder von Jack Nicolson hätte sein können, im Beauty-Wartebereich. Ja, ich erhoffte mir revolutionäre Neuigkeiten in der Bekämpfung der Hautalterung.

Die Beautybeauftragte hatte mit ihren 20 Jahren gut lächeln und das faltenfrei, während all die anderen Damen sicher schon leise das Gras wachsen hören können. Nein, verdammt, das sind keine Augenringe, das sind Schatten großer Taten. Und damit muss ich mir nicht mal Smokey Eyes schminken. Ha! Und bevor du fragst, jedes meiner minikleinen Augenfältchen habe ich mir hart erlacht.

Aber jetzt bin ich schon mal hier und nehme alles an revolutionären Errungenschaften der Schönheitspflege mit. Sanft tupfe ich die Gels und Cremes in den vorgeschriebenen kreisenden Bewegungen auf die von der Beautybeauftragten diagnostizierten pflegebedürftigen Zonen und sehe nach nur wenigen Sekunden tatsächlich um 10 Jahre jünger aus. Vielleicht habe ich es mir auch nur überzeugend eingeredet. Schönheit ist ja bekannter Weise nur eine Frage des richtigen Lichts. Licht an oder Licht aus. Egal, ob das Zeug real betrachtet zaubern kann oder nicht, ich muss es haben. Noch zwei-, dreimal ins Gesicht massiert und ich dürfte in dem Alter sein, in dem man nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen reisen darf.

PS: Realität ist was für Menschen, die Angst vor Einhörnern haben.

Wetter: 29 Grad
Ort: Toulon, St.Tropez, Port Grimaud
Gelaufene Kilometer: 12,5

St. Tropez

Port Grimaud

Costa wollte sich heute bei all ihren Gästen bedenken. Ich persönlich hätte mir viele kleine Erdbeertörtchen mit Vanillepudding oder wenigstens eine kleine Champagnertrüffelpraline mit rosa Schleifchen gewünscht. Stattdessen wurde ein hausgemachtes Entertainmentprogramm mit weitestgehend talentfreiem Bordpersonal zelebriert. Ich habe ja bereits gelernt, nicht zu viel zu erwarten und ging daher nur mit minimalistischen Ansprüchen in das Theater. Ich erinnere mich, mein Therapeut hält Toleranz für eine gute Idee und daher möchte ich versuchen, heute vorbehaltlos jedem eine Chance zu geben. Hm. Ich hab es wirklich versucht! Aber wie lang eine Minute sein kann, weiss derjenige, der auf der falschen Seite der Toilettentür steht.

Wetter: 30 Grad
Ort: Propriano, Korsika
Gelaufene Kilometer: 9,5

In der winzig kleinen Basilika roch es nach genau dem gleichen Lockstoff, mit dem Hollister ihre Läden durchflutet und damit zahllose magersüchtige Teenager anlockt. Ich hatte die Nationalhymne Russlands -energetisch vorgetragen vom Chor der Roten Armee- in maximaler Lautstärke auf beiden Ohren und fotografierte Jesus aus allen möglichen Positionen. Draußen blauer Himmel und Sonnenschein. Ein Tag, wie er im Bilderbuch nicht schöner zu finden sein könnte.

Und auch heute gab es wieder meine private Tangostunde. Sie gehört inzwischen zu meinem festen Tagesablauf wie das Nachschauen, in welchem Hafen wir eigentlich liegen. Und ich darf stolz berichten, mein Tanzlehrer ist äußerst zufrieden. Jaaaa, hier und da und dort und dann da noch ein minimalistisches Geradeziehen, aber im Großen und Ganzen bin ich gaaaanz weit vorn. Daher zugehört: Ich cancel hiermit meine in Nizza geplante Karriere als Opernsängerin und möchte jetzt tanzen. Tango, auf den größten Bühnen dieser Welt.

Wetter: 31 knackige Grad mit lauem Lüftchen
Ort: Olbia
Gelaufene Kilometer: lausige 8,9

Was ich heute gelernt habe:

Kleide dich niemals komplett in schwarz. Schwarz Hose und schwarze Schluppenbluse in Verbindung mit einem bedächtigen Schritt (ging wirklich nicht schneller wegen der Hightheels) und prüfenden Blicken (Gewohnheit, berufsbedingt und nur schwer abzulegen) verleitet Gäste dazu, mich als Bordpersonal wahrzunehmen. Fragen wie „Wo ist das Casino“, die kam übrigens von einem 12jährigen Mädchen oder „Wann beginnt heute Abend eigentlich Super-Bingo“ konnte ich mit Leichtigkeit und einem weisen Lächeln beantworten. Auch Fragen zu den unterschiedlichen Tischzeiten und den kommenden Häfen und Ausflügen waren schnell ich fehlerfrei geklärt.

Auf dem direktesten Weg und mit versucht weniger prüfenden Blicken eilte ich, mit den Möglichkeiten die diese verdammten Schuhe hergaben, ins Theater. Eine großartige Show wurde angekündigt. Mit erstklassigen Akrobaten und Tänzern. Und überhaupt. Entsprechend hoch war meine Erwartung. Ich saß neben einer nicht altern wollenden italienischen Diva, die eine äußerst entzückende Art hatte. Vermutetes Alter 95 oder drüber, kommuniziertes Alter vermutlich einige Jahrzehnte drunter. Ich habe sie nicht gefragt. Gekleidet im feinsten Zwirn und behangen mit Erbstücken der Familie war sie emotional mittendrin in der atemraubenden Vertikaltuchakrobatik. Jede schnelle Bewegung brachte ihr Blut zum Erstarren. Je riskanter und schneller sich das muskelbepackte, windschnittige oberkörperfreie Kerlchen aus- und einwickelte, rasant unter die Decke kletterte oder sich zu Boden stürzen ließ, je intensivere Schnappatmung hörte ich nehmen mir. Was, wenn sie ohnmächtig oder gar vor Aufregung das nächste Frühstück nicht mehr erleben wird? Ich überlegte blitzartig … sofort den Notarzt rufen oder vorher noch das glitzernde Diadem von ihrem drahtigen Hals reißen…. Die Tänzer der nachfolgenden Nummer beruhigten sie wieder. Und die Halskette wechselte nicht ihren Besitzer.

Wetter: 31 Grad
Ort: Trapani
Gelaufene Kilometer: nur 15,8

Es sollte magisch werden heute Abend. Zauberer Martin wird angekündigt. Klingt nach Kinderschminken und Geburtstagszauberei. Sollte es aber nicht, dann um 23:30 Uhr müssten die kleinen Quengelgeister ja schon längst in ihren Alpträumen liegen und Angst vor dem Schrankmonster haben. Das bringt mich also zu der Annahme, dass es sich bei Martin um einen ernstzunehmenden Zauberer handeln sollte. Bedauerlicherweise lenkte eine riesige Portion Naivität diesen Gedankengang, denn wie sich innerhalb der ersten 3 Sekunden im Scheinwerferlicht herausstellte, entsprach sein künstlerisch anspruchsvolles Repertoire genau seinem ausgefallenen Künstlernamen.

Ich erfreute mich also mühsam daran, wie man in sekundenschnelle aus einem schwarzweißen Stöckchen einen kunterbunten Blumenstrauß zaubern konnte. Oder wie ein noch zuvor hängendes Seil von Geisterhand senkrecht nach oben klettert. Hui, fast vergessen. Da war dann ja noch die Nummer mit den ineinander verknoteten Ringen und dem legendären Kartentrick, den mein Zauberkasten aus der Vorschulzeit bereits Kindern ab 5 Jahren erklärte.

Nein, eine Assistentin hatte er nicht. Zauberer Martin zerrte sein ganzes Zauberzeug selbst auf die Bühne. Nunja, so viel war es ja nicht, aber eine leicht bekleidete Dame hätte vielleicht ein wenig von seiner tragischen Figur ablenken und den Abend in einem Goldregen oder wenigstens im Glitzer einer Diskokugel erscheinen lassen können. So war es leider doch nur Kinderschminken und Zauberei im Seniorenstift.

Ah und überhaupt, ich kann auch zaubern. Ich kann Schokotörtchen in meinem Mund verschwinden und sie an den Hüften wieder auftauchen lassen.

Ich geh jetzt Konfetti in mein Leben pusten, damit der Abend nicht auf so tragische Weise enden muss.

Wetter: 30 Grad
Ort: Catania
Gelaufene Kilometer: 15

Meine ersten morgendlichen Gedanken:

1. In der Nachbarkabine um Entschuldigung bitten.
2. Entspannt frühstücken gehen.

Planänderung:

1. Frühstücken gehen.
2. Mit einem Törtchen vom Buffet in der Nachbarkabine um Entschuldigung bitten.
3. Aspirin.

Was war passiert? Vergiss Naturgewalten. Sie sind nichts im Vergleich zur Karaokebar auf Deck 9. Hier bebt der Boden, fliegt die Kuh und explodiert das Trommelfell. Es herrscht Ekstase mir bisher unbekannten Ausmaßes, unbändiger Wahnsinn und unkontrollierbare Rummelplatzstimmung. Grundloser Applaus vom schwerhörigen Publikum. Das Talent der Sänger befindet sich meilenweit unter dem Niveau eines schlechten Duschgesangs. Bei einigen Teilnehmern wundere ich mich, dass sie überhaupt noch den Text lesen können. Man muss lernen, Qualen zu ertragen.
Pfefferminztee gab es nicht. Dafür gab es Minze im Mojito. Und den wiederum gab es im Überfluss. Den ersten spendierte mir Ariel, ein philippinischer Animateur mit dauergepachteter Fröhlichkeit und rücksichtslosem Durchhaltevermögen. Den zweiten musste ich von Daryl, dem Barkeeper mit napoleonischer Körpergröße -wir erinnern uns- annehmen. In diesem Zustand ließen sich die künstlerischen Darbietungen halbwegs gut ertragen. Schöntrinken funktioniert also wirklich! Der Abend war noch lang und ebenso lang die musikalischen Ausbrüche und Fehltritte der Barbesucher. Das alles war nur noch mit dem richtigen Pegel zu ertragen. Gut, dass die beiden sich da hervorragend um mein Wohlbefinden kümmerten. Bis … sie mich -unter Androhung sie würden die Spendierhosen wieder zuknöpfen- mit körperlichem Nachdruck auf die Bühne geschoben haben. Und ja, da stand ich nun im Scheinwerferlicht zusammen mit Ariel in einem Frauenkostüm, behangen wie ein schlecht geschmückter Weihnachtsbaum und einem riesengroßen rosaroten Plüschschwein, dass zwischendrin nichts unversucht gelassen hatte, sich heimlich aus dem Staub zu machen. Das Licht ging aus, der Ton ging an, der Text für mich nur noch wage lesbar. Kein Zweifel, tiefer konnte ich nicht mehr sinken. „The winner takes it all“.

Mit einem lustigen Lied auf den Lippen zog ich, nachdem ich den tosenden Applaus ordentlich inhaliert hatte, in Richtung Kabine. Sie war leicht zu finden, immer dem Motorengeräusch nach. Es war spät. Sehr spät! Und weil ich jetzt so schön singen konnte, sang ich gleich meine 80er Jahre-Playlist aus dem Handy rauf und runter. Dreistimmig. Laut. Falsch. Und schlecht. – Reicht ein Törtchen für die Nachbarn? Ich könnte dazu ja noch was singen.

Wetter: 27 Grad
Ort: Salerno, Pompeij
Gelaufene Kilometer: 13,1

Meine Panna Cotta im Sonnenuntergang wurde mir von zwei Gitarrenspielern versüßt. Mit Blick auf Neapel und dem Girl von Ipanema in Nacken kroch ein stechender Geruch von Reinigungsmitteln in meine Nase und setzte sich hartnäckig darin fest. So kurz vor Kantinenschluss zu essen, ist vielleicht noch mal eine erneute Überlegung wert. Obwohl antizyklisches Handeln auf einem Schiff ja oftmals die beste Idee ist. Ich muss mich eh etwas beeilen, dann ein musikalischer Leckerbissen erwartet mich laut Boardprogramm in wenigen Minuten.

Es ist soweit! Die Backstreetboys der neapolitanischen Volksmusik stehen auf der Bühne des Colosseums. 4 betagte Herren mit Wodka im Blut und dem Restless-Leg-Syndrom peitschen mit Gassenhauern und musikalischen Filmklassikern aus der Jahrhundertwende das Publikum von den Stühlen und bringen Lahme wieder zum Gehen. Ihre farbigen Schleifchen an den Instrumenten harmonieren farblich mit ihren Bauchbinden. Als Meister der Gitarre und des anderen Instruments das ich eine Balalaika nenne, zufpen sie sich die Seele aus dem Leib. Das Publikum schunkelt wie besessen und lässt sich nicht aufhalten mitzusingen. Das Licht flackert hektisch im Saal und erweckt bei mir den Eindruck, es würde jetzt sehr gern und ganz schnell den Raum verlassen. Ja, es gibt Augenblicke, da weiss man einfach, wenn es am Schönsten ist, sollte man gehen. Das mach ich jetzt auch mal.

Auf dem Weg zur Bar begegne ich dem lustigen Barkeeper von napoleonischer Körpergröße,  der mir schon seit Beginn der Kreuzfahrt schelmisch zwinkernd hinterher schleicht. Sein indischer Akzent zwingt mich dazu in jedem seiner Sätze „Du wolle Rose kaufen“ zu verstehen. Nach jedem Gespräch mit ihm muss ich mir das Grinsen aus dem Gesicht schneiden. Ein ungewollter Komiker grandiosen Ausmaßes. Diesmal versprach er mir, die Tür hinter mir zuzuschließen und mit mir einen angebrüteten Abend zu verbringen. Ich konnte der Verlockung nur sehr schwer wiederstehen und versprach zu späterer Stunde noch einmal auf einen Pfefferminztee vorbeizuschauen.

Wetter: 31 Grad
Ort: Neapel
Gelaufene Kilometer: 14,9

Mir hat Mark geschrieben. Mark, meine Reisebegleiterin auf der Costa. Das Foto zeigt ihn eindeutig als Testosteronstier. Er pumpt mehrfach täglich seine Muskeln und trägt eine Kurzhaarstachlfrisur, mit der man Rost vom Grill kratzen könnte. Sein Blick ist heroisch und seine Haltung zeigt, wer hier der Boss ist. Warum dann also Reisebegleiterin? Vielleicht trägt er untenrum ja ein rosa Tüllröckchen, soviel hat das Foto leider nicht verraten. Jedenfalls möchte mir Mark, meine Reisebegleiterin ganz viel über Kreuzfahrten erzählen. In 6 Sprachen kann er das. Hm. Ich glaube, mir ist langweilig. Ich suche mir jetzt mal wahlweise eine Sprache aus, besuche den Mark und lausche seinen wohlklingenden Worten. Vielleicht können wir uns bei dieser Gelegenheit auch über Schminktipps und aktuelle Fashiontrends unterhalten oder Handtaschen tauschen. Das wäre schön.

Ich hab es mir anders überlegt. Ich besuche zuerst den Bastelkurs mit Corrado. Heutiger Spaßfaktor: Die weiße Laterne. Fast alle weiblichen Gäste ab 55 sind anwesend. Enthusiastisch basteln sie vor sich hin und zeigen stolz ihre aus Klopapier zusammengedrehte weisse Papierlaterne. Ja, es ist nie falsch zu wissen, wie man aus Toilettenpapier eine Laterne bastelt. A) kann man die verschwendete Zeit zwischen pinkeln und spülen damit verbringen, was Sinnvolles zu machen und B) sind weisse Laternen in Seenot ganz und gar nicht zu unterschätzen. Puh …ich dreh durch. Und bevor ich aus der ein oder anderen weißen Laterne eine weiße Taube falte und sie über die Reling zum Fliegen frei lasse, führt mich mein Weg zum Spa-Deck. Hier gibt es immer lustige Informationsveranstaltungen. Sowas wie „Arthritis und wie verändert das mein Leben als Partymaus.“ Oder „Ich kann das alles nicht mehr sehen – leide ich am grauen Star?“ Oder auch immer gern im Angebot „Diagnose Blähungen und Darmträgheit – wie ich meinen Kabinennachbar optimal darauf vorbereite.“ Heute wird das Thema „Korrekte Gangart“ angeboten. So richtig konnte ich mir darunter nichts vorstellen. Doch die Lösung lag so nah. Füße und wie laufe ich mit meinen Füßen richtig. Also … schnell zum Buffet oder eher langsam und schlendernd. Oder besser wippend und mitten im Weg abrupt pausierend. Rasant oder hinkend. Ich bin an der Auflösung nicht interessiert und lausche eine Tür weiter. Da wird mir verraten, wie ich 20 cm Körperumfang in 50 Minuten verlieren kann. Jaaa, das klingt doch eher nach brauchbare Tipps fürs Leben. Ich lausche weiter aber verstehe nichts. Verdammt, das Seminar ist auf italienisch. Das bringt mich ja jetzt so unglaublich weiter, liebe Damen und Herren von der Programmgestaltung! Die Enttäuschung sitz tief und die Bar ist noch nicht Ausschankbereit. Ich muss mir jetzt wohl dringend ein Ventil suchen. Shopping zum Beispiel. Neapel liegt in Sichtweite.

Wetter: 29 Grad
Ort: Nix Capri, dafür Neapel
Gelaufene Kilometer: 16,9

11 Uhr steht auf dem leicht zerknitterten Zettel, der auf dem Boden vor meinem Bett lag. Er war aus einem Block herausgerissen und sorgsam gefaltet worden. Es war meine Handschrift. Den Namen konnte ich nicht mehr entziffern. Ich überlege. Hm. Doch! … da war was. Ich sollte mich dringend erinnern. Ja, dunkel. Ich hatte eine Verabredung. Um 11. Auf der Piazza sowieso. Deck 8. Ah, ich weiß es! Irgendwann zwischen Drehen, Klatschen und Drehen hatte ich gestern offensichtlich privaten Tangounterricht bei einem ungarischen Tanzlehrer gebucht.

Na dann, schnell in die Klamotte geschlüpft und los zu meiner ersten Privatstunde Tango irgendwo auf dem Weg von Elba nach Neapel.

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Fertig. 1 Stunde Tango. Allein im Ballroom. Körperspannung. Haltung. Druck. Gegendruck. Führung. Energie. Spannung. Schnelle Bewegungen. Schleichende Schritte. Großartig! Details würden nur zu wilden Spekulationen führen, bin aber gern bereit, sie in einem privaten Gespräch auszuplaudern.  — Unbemerkte Besucher applaudierten nach Stundenschluss. Ich machte höflich einen tiefen Knix und verließ schwebende wie eine Feder die Bühne. Das war mein großer Auftritt. 😉

Und weil es mal eben so richtig cool war, ich unglaublich viel gelernt hab und eine schön anstrengende Stunde verbracht habe, habe ich Greg gleich für die nächsten Tage gebucht. Jetzt gibt es jeden Tag 1h Tango. Ausflüge werden überbewertet. Sonnenbaden sowieso. Jetzt wird bis zur Perfektion Tango gelernt.

Fazit: Die besten Ideen entstehen immer im Suff!

Das Abendessen glich einem Meditationskurs für Fortgeschrittene. Bis zur Bestellung wäre es für Schnellleser problemlos möglich gewesen, alle Bände von Krieg und Frieden und Anna Karenina durchzublättern. Ich übte mich darin, meine französischen Tischnachbarn zu verstehen, die bedauerlicher Weise kein englisch sprachen. Ich glaube, es kam zu einigen Missverständnissen.

Nach dem Abräumen der Vorspeise und vor dem Servieren des Hauptgangs hing ich in einer Zeitschleife. Trotz äußerst damenhaften Benehmens, den 10 cm hohen Absätzen, in denen Sitzen schon eine Herausforderung war und meinen „Russisch Roulett“ roten Nägeln kam der gewählte Hauptgang nicht schneller an meinen Tisch. Die Zeit verging und meine gute Laune verabschiedete sich ebenfalls. Nicht ohne den seit Stunden geübten strafenden Blick zum Kellner verließ ich vor dem Hauptgang das ohnehin überfüllte und viel zu laute Restaurant.

Die See war äußerst wohlwollend, die Bar einladend und meine Highheels mussten eingelaufen werden. Die große Runde über das Schiff zeigte das ganze Ausmaß an Winzigkeit. In nur wenigen Minuten hatte ich alles gesehen und sogar die kleine Schiffskapelle gefunden, die sich zwischen Internetcafe und Konferenzcenter in einer Nische zu verstecken versuchte.

Aber zurück zur Bar, die jetzt einzig und allein mein Leiden lindern konnte. Hier nahm das Schicksal seinen Lauf. Lemmingtanz. Händeklatschen, links drehen, rechts drehen, Händeklatschen. Rechts drehen, links drehen, Händeklatschen. Der dritte Cocktail zeigte, was er drauf hatte. Wirklich, so schwer ist das gar nicht mit dem Händeklatschen!

Was war dieses verdammte Ticken? Hier tickt doch was? Das höre ich doch trotz des rasant laufenden Motors. Ich werfe mich auf den Boden und robbe durch die Kabine. Lege sogar mein Ohr auf den Tisch und das Nachtschränkchen. Nix. Ich lausche weiter. An Schranktüren, Spiegeln, suche nach Kabeln, die zu einer Zeitschaltuhr führen. Draußen liegt Elba vor meinem Bullauge. Drinnen tickt es noch immer. – Ich liege auf dem Boden und lausche hochkonzentriert in jede Richtung. Da! Erwischt! Es ist der verdammte Kühlschrank. Oder ein Wecker im Kühlschrank. Rütteln, schütteln, anflehen – nichts half. Doch. Stecker ziehen. Es ist Ruhe. Ein Segen.

Konzentrieren wir uns also auf Elba. 31 Grad. Laues Lüftchen. Blauer Himmel. Ein kleiner Yachthafen mit schicken Booten. Ein vertrautes Bild, auch hier werden Schriftzüge und Handläufe auf Hochglanz poliert. Das scheint die Hauptaufgabe des Schiffspersonals zu sein. Ich genieße 2 hausgemachte Kugeln Eis und schaue dem Schnittchen in Uniform beim Putzen zu.

Was ich heute über Italiener gelernt habe: Sie wollen immer erster sein und drängeln unwahrscheinlich gerne. Auch da, wo es gar nichts zu drängeln gibt, sind sie ganz weit vorn. Auf dem Tenderboot kaum eingestiegen, stehen sie bereits 10 min vor dem Anlegen unter Einsatz beider Ellenbogen und ihrer gestikstarken italienischen Sprache am Ausgang, um noch während der Fahrt das Boot zu verlassen und erster da zu sein. Ganze Dramen spielten sich ab. Ich wurde leicht am Fuß verletzt, trat aber hemmungslos und ebenso wortgewaltig wie gestikulierend zurück. So.

Wetter: 28 Grad und blauer Himmel, laues Lüftchen
Ort: Insel Elba, Portoferraio
Gelaufene Kilometer: 12,6

Mein Gott, war das Schiff winzig! Es war ja kaum wahrnehmbar! Im Vergleich zu meinen anderen Kreuzfahrten würde dieses hier quer in den Kofferraum der Norwegian Sun oder Adventure of the Sea einparken können. Ich stelle die Frage in den Raum, ob es überhaupt über einen Motor und eine Schiffsschraube verfügt oder ob durch die kleinen Bullaugen kurz über dem Wasserspiegel die Ruderstangen zum Ablegen ausgefahren werden. Wird es Strom in meinem Bad geben? Ja, Licht im Bad wäre eine Verbesserung um 100%. Und eine Klimaanlage wünsche ich mir.

Meine Kabine war überraschend groß. Größer als mein Apartment in Nizza. Und Licht im Bad gab es auch. Nun war mein Glück fast vollkommen. — Oh, ich hab den Schiffsmotor gefunden. Direkt unter mir. Und mit „direkt unter mir“ untertreibe ich nicht. Also ich sitze quasi auf dem Kohleberg der in die Öfen gefeuert wird. Ein Blick auf den Schiffsplan bestätigt meine Befürchtung. Ja, ich schlafe direkt über den Maschinenraum und der Schiffsschraube. Noch tiefer und weiter hinten auf dem Schiff war quasi nicht möglich. Ein vibrieren wird mich die nächsten Tage und Nächte in den Schlaf rütteln. Oder ich versuch es mal mit einem Kabinentausch. – Kurz diskutiert, äh, nein, der klappt nicht. Vermutlich weil ich „Ich möchte den Kapitän sprechen, sofort!“ nicht an das Satzende stellte. Das merke ich mir einfach für die nächste Beschwerde.

Apropos Kommunikation:
Es gab 3 Sätze, die ich innerhalb der ersten 30 Minuten an Bord gehört habe.

Der erste Satz erfolgte, da war ich noch keine 5 Meter auf dem Schiff: I like your hair colour. Das hatte man mir auch schon zweimal am Flughafen gesagt. Wenn ich für diesen Satz jedesmal Geld bekommen hätte, könnte ich problemlos auf eine Juniorsuite upgraden. Und hätte immer noch Geld für einen Cocktail übrig.

Der zweite Satz kam vom musikalisch äußerst talentierten Klavierspieler, dessen Proben ich heimlich im Theater lauschte und mit einem unüberhörbaren Doppelniesen abrupt unterbrach. Er sagte Bongiorno und noch irgendwas fließend auf italienisch dass sich anhörte wie eine Einladung zu seiner italienischen Großfamilie zum Weihnachtsfest. Ich schlich mich leise davon.

Der dritte Satz beunruhigte mich etwas. „Aufgrund der schlechten Wetterlage und mittelschwerer See werden wir nicht in Capri vor Anker gehen, sondern weiter nach Neapel fahren“. Mittelschwere See?!!? Schlechte Wetterlage!??! Auf diesem Kahn möchte man doch bittesehr ausschließlich schönes Wetter erleben und jeglichen Seegang, sei es auch eine noch so kleine Welle, vermeiden! Aussteigen ist zu spät. Ich versuche jetzt erst einmal diesen Gedanken zu überhören, was auch recht einfach gelang, da gerade die Maschinen angeworfen wurden.

Gut dass ich bereits gegessen hatte. Das kleine Vanillepudding-Eclair, dass sich auf dem Rückweg in meine Hand geworfen hatte, steckt mir noch im Hals, als das mit dem Wetter so richtig losging. WAS? Jetzt gibt es schon mittelschwere See? Ich dachte erst übermorgen! Dann hätte ich ausreichend Zeit gehabt, mir die höchstmögliche Medikation an Reise- und Beruhigungstabletten zu verabreichen. Nun werde ich mich nüchtern den Naturgewalten stellen.

Meine Schranktüren ließen sich nicht bändigen, sie schossen mit einem lauten Knall von rechts nach links, nach rechts, nach links, rechts, links, rechts, links. Irgendwas purzelte im Bad auf den Boden. Inzwischen waren mir auch die kleinen schwarzen Tierchen egal, die aus meinem Duschabfluss kletterten. Flüchten Tiere nicht instinktiv bei drohender Gefahr? Ich ging noch einmal die gesamte Rettungsübung von heute Nachmittag durch und wünschte, ich hätte Gaffa und Kabelbinder eingepackt, um mich auf dem Bett fixieren zu können.

Würde sich im wahren Leben ebenso wie im Film dramatische Musik in die Hintergrundgeräusche einblenden, dann wüßte ich, wann es gefährlich wird. Ich glaube, jetzt wäre die Musik bei mir am dramatischsten.

Wetter: 29 Grad, schön warm
Ort: Salerno
Gelaufenen Kilometer: 9

Hätte mein Badezimmer Licht, wäre mir sicher aufgefallen sein, dass ich die Sonnencreme mit eingebautem Make up gegriffen hatte. Großflächig aufgetragen und nur unliebsam verteilt, verließ ich mein winziges Apartment. Zeit für einen Check im Minimarkt an der Ecke hatte ich bedauerlicher Weise nicht. Ja, bedauerlicher Weise. Erst der Spiegel auf der Flughafentoilette offenbarte mir mein Schicksal der letzten halbe Stunde.

Zeit zum Nägel lackieren hatte ich im Wartebereich am Ausgang A3 vor dem Treffpunkt der Kreuzfahrtreisenden ausreichend. Ich war froh, den schnell trocknenden Lack gekauft zu haben. Aber was ist schnell trocknend? Ich beginne meditativ zu lackieren: In den Augen einer Eintagsfliege vermutlich ein halbes Leben. Von einer Riesenschildkröte aus betrachtet mehrere Jahrzehnte. In meinen Augen waren es jedoch mehr als 60 Sekunden — das jedoch versprach die plakative Werbung. Ich hatte doch sooo viel Zeit, warum also Hektik beim Nägeltrocknen! So. Trocken. Nun leuchten meine Nägel an Händen und Füßen in sattem Rot mit dem vielversprechenden Namen „Russisch Roulette“. Selbst die bewaffneten Sicherheitskräfte in ihren Tarnanzügen waren von der Leuchtkraft beeindruckt und grinsten mir wohlwollend zu.

2 Stunden am Flughafen vergingen rasant schnell. Für ausreichend Ablenkung nach dem Nägeltrocknen sorgte nahtlos der vor meiner Bank parkende private Fahrservice mit seinen in schwarzen, engsitzenden Designeranzügen, dunklen Sonnenbrillen und typgerechten Haarschnitten gestylten Fahrern. Unter dem Hemd befindet sich sicher ein 8 Pack gestählte Bauchmuskulatur. Ich hätte länger abwägen müssen, ob ich mich für das Auto oder den Fahrer entscheiden sollte. Aber die Frage stellte sich ja Gott sei Dank nicht.

Nun geht es erst einmal mit dem Shuttlebus zum Hafen Savona. Der Fahrer heisst Philippe. Er ist nicht mit einem dieser schwarzen, engsitzenden Anzügen bekleidet, hat keine dunkle Pilotenbrille und einen Haarschnitt trägt er schon seit Jahren nicht mehr. Dafür aber einen goldenen Ohrring, der von seiner in Falten gelegte Stirn dramatisch ablenkt. Ich sitze direkt hinter ihm und kann auf seine letzten 4 verbliebenen grauen Haare schauen. Kaum merklich bewegen sie sich im sanft wehenden Wind des Ventilators. In der Windschutzscheibe spiegelt sich im Tunnel sein Gesicht und die goldene Kette, die ich offensichtlich vorhin übersehen hatte. Sein rosafarbenes Hemd war bis zum letzten Knopf geöffnet. Das Kreuz am Spiegel hypnotisiert mich in den Schlaf. Ja, Schlaf wäre jetzt gut. Nachts hat das nicht wirklich funktioniert. Bei Chez Maria war zwar endlich mal nicht los, dafür aber ausreichend in der Wohnung über mir. Und da ich mit meinem Hochbett quasi unter der Decke hing, war es um so erlebnisreicher.

gkdjfdsjfhehkfmcngezgLKFUjfsjldkmdn: bin wohl eben eingeschlafen und habe mit meinem Kopf über die Tastatur gerollt.

Oh, Savona!

„Wegen plötzlichen unerwarteten Reichtums bis auf Weiteres geschlossen.“Diesen Text hatte ich schon mal für meine Webseite vorbereitet. Denn als ich heute Morgen nach Monaco gefahren bin, war ich voller Hoffnung und hatte große Pläne. Doch das Leben hat Humor, es hat mich ausgelacht.

Plan A: Daniel Craig treffen, Hochzeit auf seiner Yacht feiern.
Plan B: Jemanden der annähernd so aussieht wie Daniel Craig treffen, Hochzeit auf seiner Yacht feiern.
Plan C: Irgendeinen alten, reichen Sack finden, Hochzeit auf seiner Yacht feiern.
Plan D: Mit dem Schild “ Mama, Papa, endlich hab ich Euch gefunden!“ in den Yachthafen stellen, mich adoptieren lassen.
Plan E: 1 Milliarde Euro im Casino gewinnen.
Plan F: Vor dem Café de Paris Monte-Carlo warten bis mir jemand den Schlüssel seines Bentleys in die Hand drückt. Ferrari, Lamborghini, Aston Martin, Bugatti und Mini gingen auch. Fahrräder und Inliner nicht.
Plan G: Louis Vuitton Handtasche geschenkt bekommen. Oder wenigstens einen Schlüsselanhänger.
Plan H: Die magische Miesmuschel um Rat fragen.
Plan Z: Neue Buchstaben für weitere Pläne erfinden.

Ich und kindisch? Was ist an meinen Plänen kindisch? Tinkabell, komm, wir fliegen nach Hause.

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Monaco ist schon schön. Auch schön zu gucken die gucci-, prada- und chanelbehangenen Ladies. Ich setzte mich in eine Chill out Area direkt am legendären Yachtclub und schaute -mit einem in allen Farben schimmernden Cocktail in der Hand- dem sportlichen Yachtpersonal beim Polieren von Messingstangen und Buchstaben zu. Von oben schmeichelnd mit Wassernebel besprüht konnte es mir kaum besser gehen.

Wetter: 29 Grad. Sonne und das viel davon
Ort: Monte Carlo, Monaco
Gelaufene Kilometer: 18,3

Mein Wecker hat Glück daß er im iPhone wohnt. Das rettet ihm das Leben! Und komm jetzt nicht mit dem frühen Vogel. Mein Leitspruch ist nach wie vor „Der späte Wurm entgeht dem frühen Vogel.“

Aufgestanden. Klimaanlage in Form eines Ventilators angeworfen. Kühlschranktür geöffnet, es riecht sehr streng nach französischem Käse. Kurze Erholung von so viel Aktivität um 8:30 Uhr. Kurzer Blick auf den Handtaschenspiegel. Oh. Nach rot kommt braun und nach sehr rot, kommt hoffentlich sehr braun. Frühstück mit Cerealien und griechischem Joghurt. Den gab es dann auch noch auf Arme und Beine.

Die Sonnencreme hatte ich altersgerecht gekauft. 30 steht drauf und passt damit perfekt zu meinem jugendlichen Erscheinungsbild. Mit 50 wollte ich mich definitiv so gar nicht anfreunden, auch wenn meine Augenringe noch nicht ganz verschwunden sind. Freunde, mal ehrlich. 30 oder 50 – da fällt die Entscheidung ja wohl nicht schwer. Und 2 x mit 30 eingecremt – schon sind wir bei LSF 60, so sagt es die Mathematik.

Jetzt anziehen. Zwei- bis fünfmal umziehen. Irgendwas ist immer. Da das Bad nach wie vor im Dunklen liegt, laufe ich schnell zur optischen Überprüfung rüber zum Minimarkt und bring gleich frischen Orangensaft mit. Alles passt, und sooo rot sind meine Beine nun auch nicht.

Fertig. Auf nach Monaco!

Ich hatte eine großartige Idee: Ich lasse mir eine Pizza an den Strand liefern, hole meine Miniflasche Wein aus der Tasche und beobachte mit tropfendem Käse die drahtigen Jogger und sixpackgestählten Oberkörper der Beachvolleyballer. Das klingt nach einem optisch abgerundeten Genuss. — Eine völlig überteuerte Pizza Gorgonzola habe ich mir bei Julien geholt. Dafür war der Wein billig, der kommt aus dem Supermarkt von nebenan. Jetzt noch den perfekten Platz gesucht und schon kann das Kino losgehen. Da hat mein Serotonin doch gleich lustige Partyhütchen auf.

Sport. Wusstet ihr, dass Fett an Körperstellen sitzt, an denen Sport niemals hinfindet! Allein diese Tatsache zu kennen beruhigt mein Gewissen ungemein. – Gott sind die hier alle sportlich unterwegs. Die einen skaten (kann ich auch), die anderen joggen (ich überleg mal … Mensch, noch 2 x joggen, dann ist wieder Weihnachten!) andere dehnen und quälen sich (tu ich auch, ich dehne meinen Oberkörper um an die Pizza zu kommen und quäle das letzte Stück in mich hinein). Also, halten wir doch mal an dieser Stelle fest, so unsportlich bin ich nicht.

Wow, die Omi kann Spagat. Hm. Ich kann keinen Spagat. Aber bislang gab es auch noch nie einen Moment in meinem Leben gegeben, in dem ich dachte, jetzt könnte nur noch ein Spagat helfen.

Ach schee wars! Im Sonnenuntergang an der Strandpromenade mit Fressnarkose und Käse zwischen den Zähnen, rot gebräunten Armen, Blasen an den Füßen, ohne auch nur ein Wort französisch zu verstehen, in vollkommener Zufriedenheit und Einklang mit der Natur vielen lustigbunten Menschen zu begegnen. — Völlig überraschend: Franzosen sprechen auch englisch!

Wetter: 30 Grad, Sonne satt
Ort: Nizza
Gelaufene Kilometer: 26,7

Randnotiz: Habe den Türrahmen mit dem kleinen Zeh getroffen. Ziehe eine Karriere als Opernsängerin in Betracht.

Folge immer der Beschilderung, auch wenn du glaubst, eine Abkürzung zu kennen.

Lege niemals Blasenpflaster in einen Ameisenhaufen.

15 Grad Steigung sind bei lauen 30 Grad nicht zu unterschätzen.

Prüfe, ob du eine Speicherkarte in der Kamera hast und der Akku tatsächlich in einer intakten Steckdose aufgeladen wurde.

Denke nicht, Badelatschen seien die perfekten luftigen Wanderschuhe.

Thermalwasserspray kann Leben retten.

Nicht alles was von oben kommt muss gut sein. Es kann auch eine Kacktaube über dir sitzen.

Zebrastreifen dienen nur zur Aufhellung des Asphalts.