Archives

All posts for the day Juli 14th, 2016

Das Abendessen glich einem Meditationskurs für Fortgeschrittene. Bis zur Bestellung wäre es für Schnellleser problemlos möglich gewesen, alle Bände von Krieg und Frieden und Anna Karenina durchzublättern. Ich übte mich darin, meine französischen Tischnachbarn zu verstehen, die bedauerlicher Weise kein englisch sprachen. Ich glaube, es kam zu einigen Missverständnissen.

Nach dem Abräumen der Vorspeise und vor dem Servieren des Hauptgangs hing ich in einer Zeitschleife. Trotz äußerst damenhaften Benehmens, den 10 cm hohen Absätzen, in denen Sitzen schon eine Herausforderung war und meinen „Russisch Roulett“ roten Nägeln kam der gewählte Hauptgang nicht schneller an meinen Tisch. Die Zeit verging und meine gute Laune verabschiedete sich ebenfalls. Nicht ohne den seit Stunden geübten strafenden Blick zum Kellner verließ ich vor dem Hauptgang das ohnehin überfüllte und viel zu laute Restaurant.

Die See war äußerst wohlwollend, die Bar einladend und meine Highheels mussten eingelaufen werden. Die große Runde über das Schiff zeigte das ganze Ausmaß an Winzigkeit. In nur wenigen Minuten hatte ich alles gesehen und sogar die kleine Schiffskapelle gefunden, die sich zwischen Internetcafe und Konferenzcenter in einer Nische zu verstecken versuchte.

Aber zurück zur Bar, die jetzt einzig und allein mein Leiden lindern konnte. Hier nahm das Schicksal seinen Lauf. Lemmingtanz. Händeklatschen, links drehen, rechts drehen, Händeklatschen. Rechts drehen, links drehen, Händeklatschen. Der dritte Cocktail zeigte, was er drauf hatte. Wirklich, so schwer ist das gar nicht mit dem Händeklatschen!

Was war dieses verdammte Ticken? Hier tickt doch was? Das höre ich doch trotz des rasant laufenden Motors. Ich werfe mich auf den Boden und robbe durch die Kabine. Lege sogar mein Ohr auf den Tisch und das Nachtschränkchen. Nix. Ich lausche weiter. An Schranktüren, Spiegeln, suche nach Kabeln, die zu einer Zeitschaltuhr führen. Draußen liegt Elba vor meinem Bullauge. Drinnen tickt es noch immer. – Ich liege auf dem Boden und lausche hochkonzentriert in jede Richtung. Da! Erwischt! Es ist der verdammte Kühlschrank. Oder ein Wecker im Kühlschrank. Rütteln, schütteln, anflehen – nichts half. Doch. Stecker ziehen. Es ist Ruhe. Ein Segen.

Konzentrieren wir uns also auf Elba. 31 Grad. Laues Lüftchen. Blauer Himmel. Ein kleiner Yachthafen mit schicken Booten. Ein vertrautes Bild, auch hier werden Schriftzüge und Handläufe auf Hochglanz poliert. Das scheint die Hauptaufgabe des Schiffspersonals zu sein. Ich genieße 2 hausgemachte Kugeln Eis und schaue dem Schnittchen in Uniform beim Putzen zu.

Was ich heute über Italiener gelernt habe: Sie wollen immer erster sein und drängeln unwahrscheinlich gerne. Auch da, wo es gar nichts zu drängeln gibt, sind sie ganz weit vorn. Auf dem Tenderboot kaum eingestiegen, stehen sie bereits 10 min vor dem Anlegen unter Einsatz beider Ellenbogen und ihrer gestikstarken italienischen Sprache am Ausgang, um noch während der Fahrt das Boot zu verlassen und erster da zu sein. Ganze Dramen spielten sich ab. Ich wurde leicht am Fuß verletzt, trat aber hemmungslos und ebenso wortgewaltig wie gestikulierend zurück. So.

Wetter: 28 Grad und blauer Himmel, laues Lüftchen
Ort: Insel Elba, Portoferraio
Gelaufene Kilometer: 12,6