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All posts for the day Juli 17th, 2016

Meine ersten morgendlichen Gedanken:

1. In der Nachbarkabine um Entschuldigung bitten.
2. Entspannt frühstücken gehen.

Planänderung:

1. Frühstücken gehen.
2. Mit einem Törtchen vom Buffet in der Nachbarkabine um Entschuldigung bitten.
3. Aspirin.

Was war passiert? Vergiss Naturgewalten. Sie sind nichts im Vergleich zur Karaokebar auf Deck 9. Hier bebt der Boden, fliegt die Kuh und explodiert das Trommelfell. Es herrscht Ekstase mir bisher unbekannten Ausmaßes, unbändiger Wahnsinn und unkontrollierbare Rummelplatzstimmung. Grundloser Applaus vom schwerhörigen Publikum. Das Talent der Sänger befindet sich meilenweit unter dem Niveau eines schlechten Duschgesangs. Bei einigen Teilnehmern wundere ich mich, dass sie überhaupt noch den Text lesen können. Man muss lernen, Qualen zu ertragen.
Pfefferminztee gab es nicht. Dafür gab es Minze im Mojito. Und den wiederum gab es im Überfluss. Den ersten spendierte mir Ariel, ein philippinischer Animateur mit dauergepachteter Fröhlichkeit und rücksichtslosem Durchhaltevermögen. Den zweiten musste ich von Daryl, dem Barkeeper mit napoleonischer Körpergröße -wir erinnern uns- annehmen. In diesem Zustand ließen sich die künstlerischen Darbietungen halbwegs gut ertragen. Schöntrinken funktioniert also wirklich! Der Abend war noch lang und ebenso lang die musikalischen Ausbrüche und Fehltritte der Barbesucher. Das alles war nur noch mit dem richtigen Pegel zu ertragen. Gut, dass die beiden sich da hervorragend um mein Wohlbefinden kümmerten. Bis … sie mich -unter Androhung sie würden die Spendierhosen wieder zuknöpfen- mit körperlichem Nachdruck auf die Bühne geschoben haben. Und ja, da stand ich nun im Scheinwerferlicht zusammen mit Ariel in einem Frauenkostüm, behangen wie ein schlecht geschmückter Weihnachtsbaum und einem riesengroßen rosaroten Plüschschwein, dass zwischendrin nichts unversucht gelassen hatte, sich heimlich aus dem Staub zu machen. Das Licht ging aus, der Ton ging an, der Text für mich nur noch wage lesbar. Kein Zweifel, tiefer konnte ich nicht mehr sinken. „The winner takes it all“.

Mit einem lustigen Lied auf den Lippen zog ich, nachdem ich den tosenden Applaus ordentlich inhaliert hatte, in Richtung Kabine. Sie war leicht zu finden, immer dem Motorengeräusch nach. Es war spät. Sehr spät! Und weil ich jetzt so schön singen konnte, sang ich gleich meine 80er Jahre-Playlist aus dem Handy rauf und runter. Dreistimmig. Laut. Falsch. Und schlecht. – Reicht ein Törtchen für die Nachbarn? Ich könnte dazu ja noch was singen.

Wetter: 27 Grad
Ort: Salerno, Pompeij
Gelaufene Kilometer: 13,1