Kreuzfahrt nach Hawaii

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Alle Schränke sind leer, die Klamotten im Koffer und nun drücken wir uns an der Lobbybar davor, das Schiff zu verlassen. 8 Minuten Internet wollen außerdem noch runtergerissen werden, wobei drei davon bereits beim Login draufgeben.

Ich machs kurz, wir sind gleich raus und werden den Rest des Tages am Flughafen in LA rumlungern, bis unsere Flug geht.
Ahoi und Aloha.

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Kapitän Italy hatte gestern mit seinem sizilianischen Ehrenwort versprochen, dass die Wellen kleiner werden. Hättest du dein Auto drauf verwettet, müsstest du dir jetzt ne Monatskarte kaufen. Erst kurz vor Mexiko schlitterten wir wie auf Butter in den Hafen von Ensenada. Fast drei Tage Rumpelpumpel waren auch wirklich genug.

Gelernt haben wir in Ensenada, dass das heuschreckenartige Hop off, Hop on von einem Kreuzfahrtschiff bei Einheimischen liebevoll ‚Gringoshopping‘ heißt. Angeboten wird auf den überfüllten Märkten alles, was fürchterlich bunt, kratzig und laut ist oder als Staubfänger in einer Spielzeugecke endet. Sobald du dir was anschaust, stürzen sie auf sich los und verkaufen dir alles, was der Stand und der Nachbarsstand so hergibt. „Du wollen Decke kaufen?“ Wenn man hier nicht bestimmend, laut und freundlich „nein, danke“ verkündet, folgt dir der Verkäufer zunächst einmal die nächsten 100 Meter. Dann denkst du, du hast ihn abgehängt und schwups, überrascht er dich an der nächsten Ecke mit einer noch schöneren Decke: „Du wollen Decke kaufen?“ Du hoffst, der Bus zum Schiff in den du dich mit letzter Kraft rettest, würde ihn davon abhalten, dich weiter zu verfolgen – aber weit gefehlt. Er steht auf den Stufen und zaubert weitere Geschenkartikel aus seinem Säckchen. „Du wollen Decke kaufen.“ Der Fahrer schließt die Türen und du atmest auf. Abgehängt. Als du am Schiff aus dem Bus aussteigst, vergewisserst du dich sicherheitshalber, ob er mit seinen Decken auch wirklich auf dem Markt geblieben ist. Geschafft. – Du gehst in Deine Kabine, ziehst dich aus, gehst ins Bad, öffnest den Duschvorhang und … „Du wollen Decke kaufen?“ – „Ja, verdammt, ich nehme jetzt diese dämliche Decke!“

Wetter: 15 Grad, sonnig aber frisch

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Launische, sehr launische Wellen und lustig, sehr lustig pfeifende Winde lassen das Schiff nun seit mehr als 30 Stunden magenunfreundlich von links nach rechts, hoch und runter, vor und zurück, im Kreis, Dreieck und Quadrat schaukeln. Es rumpelt, krächzt, wimmert und knirscht an allen Ecken. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Schrauben am Heck noch im Wasser drehen, wenn das Schiff nach vorne kippt.
Während Hula-Henry an der Schaukelei seine helle Freude hat überlege ich mir, meine Schwimmweste anzulegen und warme Sachen anzuziehen. Außerdem rekonstruiere ich den schnellsten Weg zu den Rettungsbooten und versuche herauszufinden, wie ich am einfachsten die Kabinentür aushängen kann, um mich bei Eintritt von Plan B mit Hula-Henry und ihr übers Meer in den Sonnenaufgang zu retten.
Ein Ende des kreuzfahrtunfreundlichen Wetters ist wohl nicht abzusehen. Im unschönsten Fall schunkeln wir noch weitere 30 Stunden über den Pazifik, bis wir morgen Nachmittag den Hafen von Ensenada, Mexiko erreicht haben. Na dann, let’s rumble!!!

Was für ein weiterer prächtiger Tag an Bord unseres wellenbrechenden Kreuzfahrtschiffes. Zeit für Kreuzworträtsel, Quiz, Melodienraten, Bohnensäckchenweitwurf und eine Schatzsuche, die alle Teilnehmer mit einem mehrseitigen Fragebogen über das Schiff jagt.

Meine heutige persönliche Herausforderung bestand darin, lustige T-Shirt-Sprüche zu finden. Das war bedeutend schwieriger als an den Seetagen vor Hawaii, dann fortan tragen alle Männer lustigbunte Hawaiihemden.
Also was hatten wir denn heute dabei: „Ich geh lieber in die Hölle als zurück zur Arbeit“ oder „Halt die Klappe und hol mir nen Drink“ oder der Klassiker „Fastfood formte diesen wunderschönen Körper“. Ja, ohne Zweifel.
Dann gab es da noch weniger spektakuläre Aufschriften wie „Nebraska“ oder „Alaska“ mit einem springenden Lachs darunter oder Namen und Nummern von Basketball- oder Footballspielern oder das orangefarbene Shirt unseres lonely Riders mit der Aufschrift seines Harley Davidson Clubs. Immer wieder gesichtet „Hello Kitty“, auch bei älteren Damen, denen blassrosa gut zu Gesicht steht. Mehr gab meine Suche enttäuschender Weise nicht her.

Aber ein Highlight habe ich definitiv gefunden, kein T-Shirtspruch sondern einen Namen. „Givemore“. Der Name „Givemore“ allein ist schon großartig, aber wenn man dann noch Kartengeber am Pokertisch ist, ist das sensationell.

Wenn man leicht angebrütet ist -heute Abend ist Hawaiianischer Abend mit kostenlosen Cocktails, und ich schwöre, ich hatte nur zwei winzig Kleine von denen einer grün und der andere rot-orange war-, also … wenn man in diesem leicht angebrüteten Zustand in seiner Kabine “National Geographic” schaut und das Glück hat, eine Sendung mit dem Titel “Weltuntergang und wie rette ich mich” zu sehen, dann passiert Folgendes: Man beginnt die letzten Weihnachtsmails zu versenden, gewissenhaft seinen Koffer zu packen, verabschiedet sich tränenreich vom Barpersonal und wartet mit seinem Gepäck vor einem der Rettungsboote, bis dich der Erste Offizier mit verständnisvollen Worten “alles ist gut” überzeugt, an die Bar zurückzukehren und auch noch den gelben Cocktail zu probieren.

Weil Du nicht stänkern willst, tust du brav, wie dir geheißen wurde. Dann kommst du also an die Bar zurück. Du erzählst einer wildfremden ebenfalls angebrüteten Frau, dass dieses Neonpink nicht nur die Farbe deines umgehängten Aloha-Blütenkranzes und deines gehäkelten Pullovers ist, sondern auch die Farbe deiner Unterwäsche, die du gerade drunter hast. Sie lächelt nur müde während sie dir laut antwortet, dass sie gar keine trägt. Kopfkino – neeeiiiiinnnnnn!

Als nächstes schmachtest du den Gitarrenspieler an, der hinter der Bar nuuuuur allein für dich spielt. Seine Stimme ist so voller Schmalz, das du direkt in seine Arme schliddern würdest. Du denkst, wo hast du ihn schon mal gesehen. Gestern Morgen unter deiner Dusche vielleicht? Vermutlich ein verirrter Gedanke.

Du sitzt noch immer an der Bar und probierst die anderen lustigen Cocktails mit Schirmchen. Dann kommt er zu dir, der lecker Gitarrenspieler, fragt wie es dir geht und lächelt dir breit ins Gesicht. Während du schon seine Gitarrenklänge auf deiner Bettkante hören kannst, faselst du so was wie “hey, nicht schlecht gesungen” und überlegst noch schnell, wie du in diesen Satz deine Kabinennummer einbauen kannst.
Aloha – ein ganzes Schiff feiert bis zum Untergang!

Mit verklärtem Blick erhasche ich Fetzen einer Dauerwerbesendung für Fitnessgeräte, die auf den Monitoren über den Pokertischen läuft. “In 5 Tagen zur Traumfigur.” Passt ja noch, bis wir wieder zu Hause ankommen. Ich will jetzt unbedingt dieses Gerät bestellen, rutsche vom Hocker und schlage mit der Stirn auf den Bartresen. – Wo verdammt noch mal ist der Gitarrenspieler hin!

Ich befinde mich immer noch an der Bar und überlege kurz ob ich oder das Schiff Gleichgewichtsprobleme hat. Eine Frau greift neben mir zu einem Telefon und streift dabei meinen neonpinkfarbenen Häkelpullover. “Wow, ist der weich! Der ist sooo weich! Wow, wie weich der ist! Amazing! Beautiful! So great!” Wow, ich befand mich da wohl gerade in einer Werbesendung für Weichspüler und musste diese Erfahrung erst einmal mit einem pinkfarbenen Cocktail begießen. – Haaaaalllooooo, Gitarrenspieler, kommt zurüüühüüüück.

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Endlich wieder Seetage. Erholung vom Kampf um die ersten Plätze an der Gangway, um möglichst vor Sonnenuntergang das Schiff verlassen zu können. Doch die Ruhe täuscht, denn der unterschwellige Kampf um die begehrten Rattankörbchen im Serenity-Club tritt an dessen Stelle. Antizyklisch zu handeln ist in der Theorie eine schöne Idee, macht aber in der Realität leider keinen Sinn. Also liegen wir auf zweitklassigen Sonnenliegen und tun so, als wäre uns das egal. 😉

Hach – was ein herrlicher Tag. Strahlender Sonnenschein, eine leichte Brise, sanftes Schaukeln, blauer Himmel und Schoko-Vanilleeis bis zum körperlichen get no. Es könnte definitiv schlimmer sein. Zum Beispiel kalt, grau, dunkel, windig, matschig, regnerisch – aber ich möchte mich jetzt wirklich nicht mit negativer Energie auseinandersetzten. Stattdessen schreibe ich noch schnell einen Nachtrag zu meinem Beitrag “Ja wo laufen sie denn hin.”

Nachtrag:
Nach nunmehr 10 Tage Feldstudie habe ich noch eine weitere Fortbewegungsart entdeckt: das seitwärts ausschwenken und sich dabei kaum messbar nach vorn bewegen. Bei dieser Gangart, gesehen bei Schwergewichtigen und Sonderüberlasttransporten, werden die Knie in ihrer Beugefunktion nicht mehr verwendet. Die von der Hüfte bis zum Knöchel steifen Beine werden einfach rechts und links vom Körper auf den Weg gestemmt. Dabei wird mühevoll versucht, das eigene Körpergewicht auszubalancieren. Lustig anzusehen, aber äußerst gefährlich, wenn man schnellen Schrittes überholen möchte. Es ist nicht unwahrscheinlich, über ein Auslegerbein fürchterlich zu stolpern oder vom gesamten ausschwenkenden Körpergewicht über Bord gedrückt zu werden.
Ich frage mich, wenn alle Übergewichtigen auf diesem Schiff einfach mal Steuerbord ihr Frühstück essen würden, würde das Schiff dann in Manövrierschwierigkeiten kommen?

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Hypnoseshows haben ja immer etwas Freakhaftes und Peinliches. Meist bleibt es nicht aus, dass man sich für die Teilnehmer auf der Bühne in Grund und Boden schämt oder man fluchtartig den Saal verlassen muss, weil es grauenhafter kaum werden kann. Wir saßen gezielt auf Außenplätze im 1. Rang um schnell und unbemerkt aus dem Kabinett der Peinlichkeiten verschwinden zu können.

Fest steht: Würde ein Hypnotiseur in Deutschland nach Freiwilligen suchen, müsste man diese mit Gewalt aus den ersten Reihen des Publikums zerren. Nicht so auf dem Schiff. Hier stürzten 20-30 Wahnsinnige auf die Bühne und schubsten sich gegenseitig von den bereitgestellten Stühlen. Es glich einem Kampf nach dem besten Liegestuhl, der sich jeden Morgen auf dem Sonnendeck zutragen muss. (Bedauerlicher Weise habe ich diesen noch nie persönlich beobachtet, da ich vor Sonnenaufgang noch im Bett liege und schlafe.) Man wollte nicht hinschauen – aber es war eben der dreibeinige Hund.

Das Licht ging aus, die Musik an, die sagenhafte Show des großen amerikanischen Hypnotiseurs -eine Mischung aus Thomas Anders und Andy Borg- begann: Du wirst müde, entspannst dich, du starrst auf den Punkt zwischen deinen Füßen, die Augenlider werden schwer, noch schwerer, du bist entspannt und noch entspannter und nochmal10hoch2 entspannt … das volle Programm. Er sprach so fürchterlich schnell, dass ich mir Gedanken darüber machte, ob die Freiwilligen seinen Worten überhaupt folgen konnten, denn so schnell war hier nix auf dem Schiff, nicht mal unsere tägliche Fahrtgeschwindigkeit.

Dann sortierte es aus zwischen denen, die vorgaben tiefenentspannt zu sein und denen, die dies nur wirklich sehr, sehr, seeehr schlecht vorspielen konnten. Das ging über mehrere spannende Runden so. Die schlechten Schauspieler mussten den illustreren Kreis auf der Bühne verlassen und die weniger schlechten durften sich in weiteren Runden ausprobieren. Zwischendurch ließ sich der Meister ausgiebig vom Publikum feiern. Motivation muss sein. Aloha.

Dann war es endlich soweit. Alle verbliebenen waren entspannt, willig und nicht mehr Herr ihres eigenen Körpers. Was wird der Meister wohl von seinen Hörigen verlangen? Ich fasse kurz zusammen: du bist fürchterlich traurig – winki winki; alles ist so unfassbar lustig – winki winki; du hast gefurzt, es stinkt erbärmlich und der Schuh deines Nachbars ist deine Gasmaske – winki winki; es ist eisig kalt, du frierst fürchterlich und du kuschelst dich an den neben dir sitzenden – winki winki; du spielst ein imaginäres Instrument – winki winki; und tanzt wie Michael Jackson – winki winki. Zum Schluss fällst Du auf die Knie und betest deinen großen Meister an – winki winki. – Wow. – Nee, ja, doch, das war schon sehr beeindruckend. Ich war hin und her gerissen zwischen ekstatischem Applaus und leisem Wimmern, er möge doch endlich damit aufhören. Nach dieser Vorstellung fragte ich mich ernsthaft, ob es nicht besser wäre, das Publikum ausschließlich hypnotisiert in diese Show zu lassen, damit die folgenden Peinlichkeiten sich nicht in die Erinnerung einbrennen oder schlimmer noch, weitererzählt werden können.

Egal.
Winki winki, das Zauberwort habe ich mir jedenfalls gemerkt. Und ich werd es morgen an verschiedenen Objekten ausprobieren. Vielleicht fange ich mit den Leuten an, die immer die runden Bastkörbchen reservieren – ich lasse sie reihenweise ins Meer hüpfen. Winki winki.

Kapitän Nemo oder D’Artagnan? Eines der beiden Bilder weist den Weg zum richtigen Kabinengang. Die Mitte ist keine Option, da ist eine Wand mit einer dekorativ beleuchteten und mit Blümchen verzierten Vase. Ich entscheide mich für D’Artagnan, weil ich mich an meine Kindheit erinnert fühlte und glaube, der Typ ein lecker Schnittchen war.
7 Minuten später: D’Artagnan hat mich furchtbar enttäuscht und in die Irre geführt. Da hab ich mich wohl etwas treiben lassen. Nach den ersten 25 Türen merkte ich, dass sich in die Zahlenfolge 1, 3, 5, 7, 9 keine 8 einreihte. Gerade und ungerade Zahlen – ich habs ja verstanden. Meine Feststellung nach dieser mathematischen Höchstleistung: Alkohol trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen aber D’Artagnan ist immer noch ein lecker Kerlchen und Kapitän Nemo ist doof. Und Bobbies Hawaiianische Flip Flops will ich immer noch haben.

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Leute, nach unserem VIFP-Treffen mit allen Gold-, Platin- und Diamantkartenbesitzern und lecker Schnittchen, Cocktails mit Schirmchen sowie einer fantastischen Bühnenshow, vollgepackt mit Spaß und lustigen Menschen, sind wir auf dem Rückweg an Bobbies Bastelstraße vorbeigekommen. Ich war sehr froh, dass mir die beiden Cocktails schon nach sehr kurzer Zeit die Realität ein wenig weich gezeichnet hatten.

Bobbies Bastelstraße: Hier saßen Männer und Frauen, ich wiederhole sehr gern: Männer und Frauen, die mit Miniluftballons, wie man sie zu Genüge auf jedem Kindergeburtstag oder auf Firmenfeiern findet, und schwarzen 5-Cent-Flip Flops „farbenlustige Hawaiian Flip Flops“ bastelten. Und so gehts: Richtige Schuhgröße auswählen, Luftballons farblich sortieren und diese dann in wahlloser Reihenfolge an die Plastikzehentrenner knoten. Fertig ist der hippe Hawaii-Flip Flop. Ich meine, Leute, hey, das Plastik scheuert eh schon zwischen dem Zehen, aber mit Gummiknötchen gespickt, sollte der Schmerz wohl noch etwas größer sein. – Hm, aber lustig sehen sie ja aus, die kleinen Schühchen. Und je länger ich drüber nachdenke, ich will auch solchen Badelatschen! Dann würde ich mir ein weißes Laken überwerfen, fürchterlich leidend schauen und mit aufgepusteten Luftballons an den Tretern übers Wasser laufen.
– Wenn ich drüber nachdenke, ein schönes Weihnachtsgeschenk sind sie aber allemal. Will jemand?

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An so nem Kreuzfahrtschiff gibt es ja immer was zu basteln, schrauben, streichen oder hämmern. In unregelmäßigen Abständen sieht man Monteure in blauen Overalls mit Werkzeugköfferchen und Farbeimer übers Schiff schleichen. Da werden Stufen nachgeschliffen, Eisenstangen gestrichen, Fenster ausgetauscht, Geländer entrostet, Planken ausgebessert, Schilder “Vorsicht Stufe” aufgeklebt, das ein oder andere Mosaiksteinchen wieder eingesetzt und das Leck im Pool gesucht.

Wenn man sich das Schiff mal bei Sonnenschein und schlechter Laune anschaut, kann man Einiges entdecken. Hinter der Fassade bröckelt ganz schön der Putz (bei vielen Passagieren ist es im Übrigen sehr ähnlich). Abgeblätterte Farbe, angerostete Verschraubungen, zerfressener Lack, ausgebleichtes Kunstgras auf dem Minigolfplatz und so weiter und so weiter. Ich vermute ganz stark, dass einzig und allein die unzähligen Farbschichten den Kahn noch zusammenhalten. Und vielleicht das ein oder andere schnell geknotete Gummiband. – Ja, die Natur setzt Kreuzfahrtschiffen ganz schön zu und man kann gar nicht so schnell Farbe anrühren wie sie verpinselt wird.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Natur toll. Schließlich ist es nur durch sie möglich, meinen Salzhaushalt für die nächsten 2-3 Wochen aufzufüllen, indem ich morgens mein Frühstücksei über ein kurzes Stückchen der Handläufe des Lido-Decks rolle.

Sonnenliegen sind auf einem Kreuzfahrtschiff auch immer ein angespanntes Thema. Eine Frage die sich jeder stellt: Sind denn hier auch mindestens 3 Stück pro Passagier an Bord? Eine Liege in der prallen Sonne zum Grillen, eine im Halbschatten zum Runterkühlen und natürlich eine im Vollschatten gegen die Mittagshitze. Die besten Liegen sind bereits vor Sonnenaufgang blockiert. Das sind die riesigen runden Rattanbetten und manchmal auch die Hängematten – das ist abhängig von Seegang. Oder die in unmittelbarere Nähe zur Cocktailbar. Weniger gern genommen sind Plätze neben dem riesigen Schornstein. Wobei ich ja der Meinung bin, das sich dieses monotone Hämmern beruhigend auf die Einschlafphase auswirkt. Es vermittelt einem, dass das Schiff noch seetüchtig ist, was wiederum Sicherheit fürs Einschlafen bedeutet.

Ich habe mir ein ruhiges Plätzchen gesucht, das nur wenige Passagiere bisher gefunden haben. Deck 14, Mittschiffs, vor dem Schornstein mit unverbautem Blick zum Minigolfplatz, der sich vorn auf dem Schiff befindet. Von den geschätzten 50 Liegen sind 3 belegt, inklusive unserer beiden. Hier oben befinden allerdings auch die riesigen Satelliten, die uns vermutlich in nur wenigen Minuten das Gehirn gar schmoren. Egal, ich habe Urlaub.
Aus meiner entspannten Schlummerposition heraus kann man wunderbar den Seegang, dieses unterschwellige Auf und Ab des Schiffs, beobachten. Und Auf und Ab. Und Auf und Ab. Ein laues Lüftchen wehte mir ums Näschen und der Geruch vom frisch Gegrilltem lässt mich kurz überlegen, die Ruhephase zu unterbrechen. Ich bin zu schwach, mich zu entscheiden. Und Auf und Ab. Und Auf und Ab. Hui und Auf und Ab. Ich glaub, ich muss mich jetzt einem kleinen Vormittagsschläfchen hingeben.

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Drei Fragen beschäftigen mich bereits seit den letzten vier Tagen:

Warum kleben Leute ihre Fotos, bunte Bildchen, Weihnachtsdekoration oder sonstige merkwürdige Zeichen an ihre Kabinentür?
Warum befinden sich die Speisesäle immer ganz vorn oder ganz hinten im Schiff, also an Orten mit dem größten Schaukelgrad und an denen man die beste Chance hat, sich das Essen zweimal durch den Kopf gehen zu lassen?
Woher weiß unser Kabinensteward Rodrigo exakt, wann wir die Kabine verlassen und wieder zurückkommen?

Die erste Frage ist mit ein wenig Phantasie schnell beantwortet: Bei der Vielzahl der Gänge und Türen findet man nach durchzechter Nacht oder bei Orientierungsschwäche vermutlich schneller die Tür, in der der am roten Carnival-Lanyard baumelnde Schlüssel passt.

Die zweite Frage lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass es zahlreiche sadistische Schiffskonstrukteure gibt.

Aber die dritte Frage bereitet mir tatsächlich Kopfschmerzen.
Woher kennt Rodrigo den genauen Zeitpunkt, zu dem wir die Tür hinter uns schließen und er damit ein winziges Zeitfenster hat, unsere Kabine in Ordnung zu bringen? Auf den Gängen ist er weit und breit nicht zu sehen. Erwischt hat er uns auch nie. Kameras in den Gängen haben wir vergeblich gesucht. Also, woher weiß er das? Kaum sind wir raus und kommen nach 30 min wieder, ist die gesamte Kabine inkl. Balkon porentief gereinigt, das Bett gemacht, das Bad desinfiziert, alle Handtücher ausgetauscht und schön gefaltet, der Balkon gewischt und die Spiegel und Scheiben geputzt. – Auf einigen Schiffen werden winzige Papierschnipselchen auf die Türklinken gelegt. Wenn er auf dem Boden liegt, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass der Gast seine Kabine verlassen hat und der Weg frei ist fürs Staubsaugen und Bettenmachen. Nicht so hier. Hier liegen definitiv keine Schnipsel auf dem Boden. Wir zertrennen beim Rausgehen auch keine heimlich gespannten Wollfäden, kleine Glöckchen klingeln auch nicht. Drucksensoren vor der Kabinentür oder Bewegungsmelder in den Zimmern würde ich spontan raten. Und Rodrigo sitzt vermutlich in seiner mit Hightech vollgestopften Schaltzentrale und schaut, wann, wo, welche Lämpchen rot oder blau blinken, um dann in Windeseile mit seinem Putzmaterial auszurücken. – Ich werde ihn morgen dazu befragen.

Hawaiianisches Wort des Tages:
kala mai ia’u – Tschuldigung

Windstärke: 13 km pro Stunde
Wetter: 25 Grad locker und schön sonnig

Laufen muss auf einem Schiff neu erlernt werden. Wir haben uns nach vier Tagen den Rhythmus des Schiffes angenommen und können inzwischen selbst bei mittelschwerem Seegang geradeaus laufen, ohne dabei an die Kabinenwände zu schlagen.

Ein besonderes Phänomen ist es, dass Menschen im Buffetbereich ihre Laufgeschwindigkeit gegen 0 drosseln und man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, ob sie cm für cm vor sind hin schleichen oder tatsächlich stehen geblieben sind, um zu kosten, was sie sich tonnenwiese auf das Tablett geschaufelt haben. Richtig schwierig wird es dann, wenn vom Läufer vor dir unerwartet eine Vollbremsung hingelegt wird und du dein gut sortiertes Tablett so ausbalancieren musst, dass deine Salatblätter inklusive 5fach hochgestapelten Burger nicht in den Nacken des Bremsers fliegt.

Besonders spaßig ist es aber an den zahlreichen Getränkestationen. Hier scheren Leute gern mal mit 2 Tassen heißen Kaffee spontan rückwärts aus und merken erst, wenn die Hälfte des Heißgetränkes auf dem Hemd des Nachbarn gelandet ist, dass auch hier Regeln des Straßenverkehrs gelten. Erst schauen, blinken und dann zurücksetzen.

Lustig anzuschauen sind aber die Raser unter den Buffetbesuchern. Die, die mit ihren fahrbaren Scootern geräuschlos durch die Gänge preschen und den lustigen Aufkleber “Not a student driver” vorn am Lenker haben. Man meint, diese Körpermassen können nicht mehr aus eigener Kraft bewegt werden, aber man wird eines Besseren belehrt, wenn man sieht, wie sie sich -wenn auch behäbig- aus dem Stuhl hebeln und ans Buffet schweben.

Ach ja, ich habe beschlossen heute was Gutes zu tun. Ich werde an der Eismaschine einen Aufkleber anbringen: eine Waffel Schoko-Vanille: 5,00 USD zzgl. Tax und Tip, werden direkt vom Bordkonto abgebucht. Für unsere kleinen Gäste werde ich das noch schön bebildern.

Es gibt hier jeden Tag so viele Entscheidungen zu treffen, dass ich kurz überlegt hatte, mir eine Exceltabelle mit Wenn und Dann-Formeln anzulegen. Um anschaulich einige Beispiele zu nennen: Leg ich mich in die Sonne oder in den Schatten. Auf das Lido-Deck, wo mich vermutlich der hawaiianische Sänger sucht, oder doch besser auf meinen eigenen Balkon. Was esse ich wie viel zum Frühstück. Geh ich jetzt nen Kaffee trinken oder eher später. Pilates oder Yoga. Erdbeer-Vanille oder Vanille-Schoko. Lesen, schreiben oder schlafen. Bingo oder Hula-Tanzkurs. Zähne bleichen oder Nägel lackieren. Langsam wird das alles sehr unübersichtlich und fängt an, mein Gehirn aufzuweichen. Aber eines weiß ich heute schon: Morgen esse ich Omelett.

Nach all diesen schwer zu beantwortenden Fragen war ich mehr als dankbar, eine Einladung zu einem festen Datum, zu einer festgelegten Zeit, an einem definierten Ort bekommen zu haben. Mittwoch, 11. Dezember von 15.30 Uhr bis 16.15 Uhr wird unsere Anwesenheit im Phantom-Theater zu einem VIFP-Empfang (Very Important Fun Person) für Gold-, Platin- und Diamantkartenbesitzer gewünscht. Ich dachte kurzfristig, mein Leiden würde gelindert, aber Nein!!!, der Höllenschlund öffnete sich erneut und es sprudelten mehr und noch mehr Fragen heraus: Geh ich hin, oder nicht? Wenn ja, was soll ich anziehen? Weiße Hose, Ringelshirt? Kleid mit Lackschühchen? Pinkfarbene Bluse mit Chino? Vorher noch mal waschen, schneiden, fönen? Nägel feilen? – Ich muss mich jetzt erst mal bei einer Fußreflexzonenmassage entspannen gehen, denn die verspricht, alle Probleme zu lösen.

Heute war ein besonderer Abend, der auf jedem Schiff bis zur persönlichen Geschmacklosigkeit zelebriert wird. Das Kapitänsdinner.
An diesem Abend sieht man Kleider, die nicht für ausladende Körperformen entworfen wurden, Frisuren, die Vidal Sassoon erst noch erfinden muss und Schuhe, in denen selbst ein Victoria Secret Model Schwierigkeiten hätte zu laufen. Selbstverliebt und mit Stolz erhobenen Blick flanieren sie die Gänge entlang, bewundern gegenseitig ihre Garderobenwahl und fiebern einem Foto mit dem Kapitän entgegen. Ein Highlight ist es, sich an der Fotostation zu positionieren, vor der die Gäste sich im Sonnenuntergang, vor einer riesigen Holztreppe, in einem entzückenden Blumengarten oder mit bunten Weihnachtsgeschenken fotografieren lassen können. Noch 200 Prozent Weichzeichner drüber und fertig. Ja, hier werden sie gemacht, die Fotos, die in jedem guten amerikanischen Film auf dem Kaminsims zu finden sind. Olli, ich und eine Handvoll Abtrünniger genießen das Schauspiel vor den Leinwänden.

Um einige dieser Bilder schnell wieder aus dem Kopf zu löschen, gehen wir an die Kasinobar. Ein alter Mann setzt sich neben mich auf den Hocker und erzählt mir irgendwas durch seine Zahnlücke. Dann nahm er sein Basecap vom Kopf und zeigte mir voller Stolz den gelb gestickten Schriftzug Vietnam. Ja, denke ich, auch ein schönes Land, mein Bruder war schon mal da. – Hätte ich gestern mal beim Veteranentreffen reingeschaut, hätte ich vermutlich eine andere Antwort gegeben.

Ich entschied mich den Klängen des hawaiianischen Sängers hinzugeben, der hinter der Bar mit seiner E-Gitarre für bessere Stimmung sorgte. “I wanna sleep with you on the Lido-Deck”, zwinkerte er singend. Puh, mit so viel Offenheit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Ich war froh, das meine Reisebegleitung sein Geständnis nicht hörte, denn er zeigte derweil vier Ladies älteren Semesters, seinen narkotisierenden Hüftschwung.

Auf dem Weg in die Kabine stoppte ich noch kurz im Frankensteins Lab. Die Disko hielt, was ihr Name verspricht. Zutritt ab 21, mit Ausweiskontrolle. Ich lächelte den Türsteher an, sah, wie er mit schnellem Blick meine bei diesem schmeichelnden Licht kaum zu erkennenden Augenfältchen zählte und gewährte mir ohne Vorzeigen des Ausweises Einlass. Hm.

Hawaiianisches Wort des Tages:
po ‚alua – Dienstag

Windstärke: 8 km pro Stunde
Wetter: 23 Grad, schön sonnig

Es gibt definitiv Schlimmeres, als auf einem sonnendurchfluteten Balkon zu sitzen, auf das Meer zu starren, springende Delfine zu sehen, den Wellen zu lauschen und zu denken: boh, ist das heiß hier. Eine Wurzelbehandlung fällt mir da spontan ein oder Filme von Fettabsaugungen. – Ich sollte aufhören, mir alles bildlich vorzustellen.

Am dritten Tag auf See befinden wir uns weiterhin im hochkonzentrierten Energiesparmodus. Hin und wieder fühlen wir gegenseitig unseren Puls, nur um sicher zu gehen, dass die Grundfunktionen noch arbeiten. Alles soweit ok. Manchmal spielen wir Schnick, Schnack, Schnuck um auszuknobeln, wer aufsteht und die Fernbedienung holt.

Ob du willst oder nicht, irgendeiner stellt dann die Frage, die Angst und Schrecken im Raum verbreitet: “Was machen wir nun?” Hm. Minigolf. Super Idee. Wird aber spätestens nach der dritten Runde langweilig, wenn Du mit einem Opfer spielst und nicht mit einem Gegner. Danach erst mal ausruhen, schließlich handelte es sich um eine Aktivität, die etliche Kalorien verbrannt hat. Anschließend Essen gehen. Die Suche nach dem worauf man Appetit hat, erfordert viel Geduld und Entscheidungsfreude und verbrennt somit weitere Kalorien, sodass man sich ohne schlechtes Gewissen eine ganze Pizza, Pommes mit Mayo und als Dessert noch zwei große Portionen Eiscreme gönnen kann.

Ja, dann – oh warte, war da um 14:30 Uhr nicht das Megaevent beim Juwelier um die Ecke, der nach einer halbstündigen Powerpointpräsentation die Diamantringe mit 40% Rabatt verschleudert? Richtig. Das nächste Highlight, das man keinesfalls versäumen sollte. Gratis gibt es ein Schlückchen aus der guten Champagnerflasche.

Eine weitere anschließende Option wäre der Besuch des Seminars mit dem vielversprechenden Namen ” Iss viel und wiege weniger”. Ich wäre gern hingegangen und hätte mir die Ratschläge angehört, aber ein dicker Mann steckte im Türrahmen fest und versperrte den Eingang. Hm. Was nun? Erst mal eine Waffel mit leckerer Schoko-Vanille Eiscreme.

Auf dem Weg zurück in unsere Kabine sahen wir fürchterlichen schwarzen Qualm aus den Schornsteinen aufsteigen. Entweder haben die Jungs da unten eine Schippe Kohlen mehr drauf gelegt oder es gab ein Feuer im Maschinenraum. Hm. Wir haben Urlaub. Sollen sich doch die anderen um das Feuerlöschen kümmern. Wir müssen uns jetzt erst mal Ausruhen gehen.

Hawaiianisches Wort des Tages:
aloha auina la – schönen Nachmittag

Windstärke: 57 km pro Stunde
Wetter: 21 Grad, sonnig, mit hier und da ein paar Wölkchen

Menschen beobachten ist ein großartiger Zeitvertreib.
Zum Beispiel das Pärchen da drüben.
Er: sehr groß, sehr breit und Oberarme mit denen er problemlos Eiswürfel zertrümmern könnte. Auf seinem T-Shirt, das übrigens eine fantastisch freie Sicht auf seinen haarigen Bauchnabel freigab, stand COME TO DADDY. Seine Zähne waren so schön wie Sterne. Gelb und weit auseinander.
Sie: sehr klein, sehr breit. Ihr sportlich geschnittener pinkfarbener Samtanzug mit der glitzernden Stickerei LOVE PINK konnte vom Gesamtbild nicht wirklich ablenken. Ihre langen, in allen Farben changierenden Fingernägel rundeten das Bild jedoch harmonisch ab.
Nein, Stil ist nicht das Ende des Besens!

Oder nehmen wir die ewig jung geblieben Endsiebzigerin. Immer adrett im Jogginganzug, Schirmmützchen und perfekt gelegter Dauerwelle. Selbst bei Windstärken die mehr als Schrittgeschwindigkeit betrugen, sitzt die Frisur wie frisch geföhnt. Respekt! Ihre sonnengegerbte Haut ist zwar schon runzlig, aber dafür strahlen ihre weißen Zähne umso heller. Sie läuft jeden Tag ihre Runden auf der Joggingbahn. Dafür gibt es noch einmal Respekt! Diesmal mit Ausrufezeichen.

Und dann sind da noch die Beauties. Das sind die Prinzessinnen, von denen mein persönlicher Modezar Harald Glööckler spricht. Von morgens bis abends immer mit perfektem Auftritt. Haare, Make up, Klamotte, Accessoires, Blick und Attitude. Pickel- und faltenfrei flanieren sie mit Stolz erhobenem Blick vorbei am schnöden Mopp. Fuß- und Fingernägel sind frisch lackiert, die Zahnfarbe um 4 Stufen aufgehellt, die Wimpern widerstehen Orkanböen und die Extensions sitzen fest. Manchmal sieht man noch die Botoxeinspritzlöcher auf Stirn und Wange. – Nicht doch, lass den Kopf nicht hängen, Prinzesschen, sonst fällt doch dein Krönchen runter.

Ja, und dann gibt es da noch die Schlunze. Das sind zum Beispiel wir. Aufstehen, Klamotte drüber, fertig. Die Haare frisieren sich von allein, wenn man auf dem Sonnendeck steht.
Leute, ernsthaft. Ich hab mich umgesehen. Wir sind die Geilsten hier 😉

Hawaiianisches Wort des Tages:
wikiwiki – mach schneller, beeil dich

Windstärke: 28 km pro Stunde
Wetter: 21-23 Grad, sonnig

Ich habe mich heute bewusst nicht für das early bird Frühstück entschieden. Als ich ans Buffet kam, wurde bereits für das Mittagessen umgerüstet. Ein indischer Koch hatte jedoch ein großes Herz und ließ uns noch fix die Teller mit zahlreichen Leckereien füllen, deren Farbspektrum sich von gelb über beige, hell- und mittelbraun bis hin zum frittierten dunkelbraun zog. Unsere Überlegung war, einfach sitzen zu bleiben und nahtlos das Lunch anzuschließen – wir entschieden uns dagegen.

Und da der Tag ja nun auch schon fast wieder zu Ende war, lohnte es nicht mehr wirklich, irgendwas anzufangen. Klar, am “Half Price Del Sol Bingo” teilzunehmen geht immer, auch beim lustigen Charade-Spiel hätte ich mich einreihen oder mir einen Vortrag über Arthritis und Zellulitis anhören können. Karaoke war mir zu riskant und das Bootcamp hatte ich Gott sei Dank verschlafen. Zur Sambatanzstunde wollte ich nicht und ich weigerte mich zu Bobbies Bastelkurs zu gehen. – Also gammelte ich vor mich hin, bis die Sonne wieder unterging, es endlich Abendessen gab und die nächste Funwelle bei einem gemeinsamen Abendessen mit wildfremden Menschen, die beim Sprechen den Kaugummi nicht aus dem Mund nahmen, über mich zusammenschlug.

Ja, sich zu entspannen kann fürchterlich anstrengend sein.

Hawaiianisches Wort des Tages:
mahalo – danke

Windstärke: 49 km pro Stunde
Wetter: 21 Grad, mal Sonne, mal Wolken, aber definitiv kein Schnee

„Wo sind denn hier die Chicas?“ Eine durchaus berechtigte Frage. Die Brille abzunehmen und den natürlichen Weichzeichner zu nutzen, wäre eine Möglichkeit, die lecker Mädchen zu finden. Allerdings würden dadurch nur Falten verschwinden, nicht aber ausladende Hüften und opulenter Körperumfang. Eine zweite Möglichkeit wäre, seine Ansprüche weit runterzuschrauben und es wie Harald Glööckler zu halten: Jede Frau ist eine Prinzessin.

Unsere Fun-Cruise hatte einen guten Start beim Check in. Das besagte Einchecken vollzog mit uns ein echtes Sprachtalent. Timothy hatte die zauberhafte Gabe, einen unendlich langen Satz mit nur 2 Wörtern zu bilden. Diese beiden Wörter bestanden wiederum aus ca. 60 bis 70 eng miteinander verschweißten Wortketten, die in ihrer einzelnen Bedeutung schwer wahrzunehmen waren. Also hörten wir geduldig zu, lächelten bestätigend und warteten gespannt auf sein Luftholen, was unweigerlich das Ende des Satzes vermuten ließ. In der Hoffnung, dass er uns eine Frage gestellt hatte, nickten wir eifrig und antworteten mit einem entschlossenen „nein, definitiv nicht“. – Puh, die Kurve war eng.

Die Carnival-Schiffe sind die Lidlmärkte unter den amerikanischen Kreuzfahrtschiffen. Hier gibt es von allem viel, billig, im Sonderangebot oder Vorteilspack. Budweiser gleich Eimerweise, Foster-Bier im Kanister. Und wenn man ein modisch wertvolles Armband von der 50-Meter Rolle kauft, bekommt man drei Handtaschen, eine Faltencreme und Aspirin geschenkt. Hier kauft man ein ohne das Gefühl zu haben, Geld auszugeben. Überall lauern Geschenke die dich anbetteln in dein Körbchen zu hüpfen. Es ist ausgesprochen hart, sich nicht dem Konsumrausch hinzugeben.

Unsere Balkonkabine ist super. Bett, Fernseher, Fernbedienung – alles immer in Reichweite. In der Münchner Innenstadt würde sie als geräumige Familienwohnung für nicht weniger als 1.500 € kalt durchgehen. Der Ausblick ist grandios. Meer, nichts als Pazifik wohin das Auge blickt. Das Bad ist geräumig. Aber auch hier müssen keinerlei Wege zurückgelegt werden. Alles befindet sich in Armlänge. Spart vor allem Zeit, bei einer Trödeltrulla wie ich es bin.

Die erste Abend war sehr -nun sagen wir- rhythmisch, was mit musikalisch in diesem Sinne nichts zu tun hatte. Es knarrte ordentlich im Gebälk. Und da wir weit oben im Schiff einquartiert sind, hatten wir einen entsprechend großen Schunkelwinkel. Deutlich abzulesen an den Übergardinen, die zeitweise senkrecht zur Eingangstür zeigten. Auszugleichen waren diese rechts-links-vorn-hinten-Kreisbewegungen nur durch reichlich Alkohol in Kombination mit einem Cocktail aus verschiedenen Reisetabletten und jeder Menge Hoffnung, dass der nächste Windstoß das Schiff nicht auf die Seite legt.

Hawaiianisches Wort des Tages:
aoha kakahiaka – guten Morgen

Windstärke: 113 km pro Stunde
Wetter: 21 Grad, sonnig