Heute war ein besonderer Abend, der auf jedem Schiff bis zur persönlichen Geschmacklosigkeit zelebriert wird. Das Kapitänsdinner.
An diesem Abend sieht man Kleider, die nicht für ausladende Körperformen entworfen wurden, Frisuren, die Vidal Sassoon erst noch erfinden muss und Schuhe, in denen selbst ein Victoria Secret Model Schwierigkeiten hätte zu laufen. Selbstverliebt und mit Stolz erhobenen Blick flanieren sie die Gänge entlang, bewundern gegenseitig ihre Garderobenwahl und fiebern einem Foto mit dem Kapitän entgegen. Ein Highlight ist es, sich an der Fotostation zu positionieren, vor der die Gäste sich im Sonnenuntergang, vor einer riesigen Holztreppe, in einem entzückenden Blumengarten oder mit bunten Weihnachtsgeschenken fotografieren lassen können. Noch 200 Prozent Weichzeichner drüber und fertig. Ja, hier werden sie gemacht, die Fotos, die in jedem guten amerikanischen Film auf dem Kaminsims zu finden sind. Olli, ich und eine Handvoll Abtrünniger genießen das Schauspiel vor den Leinwänden.
Um einige dieser Bilder schnell wieder aus dem Kopf zu löschen, gehen wir an die Kasinobar. Ein alter Mann setzt sich neben mich auf den Hocker und erzählt mir irgendwas durch seine Zahnlücke. Dann nahm er sein Basecap vom Kopf und zeigte mir voller Stolz den gelb gestickten Schriftzug Vietnam. Ja, denke ich, auch ein schönes Land, mein Bruder war schon mal da. – Hätte ich gestern mal beim Veteranentreffen reingeschaut, hätte ich vermutlich eine andere Antwort gegeben.
Ich entschied mich den Klängen des hawaiianischen Sängers hinzugeben, der hinter der Bar mit seiner E-Gitarre für bessere Stimmung sorgte. “I wanna sleep with you on the Lido-Deck”, zwinkerte er singend. Puh, mit so viel Offenheit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Ich war froh, das meine Reisebegleitung sein Geständnis nicht hörte, denn er zeigte derweil vier Ladies älteren Semesters, seinen narkotisierenden Hüftschwung.
Auf dem Weg in die Kabine stoppte ich noch kurz im Frankensteins Lab. Die Disko hielt, was ihr Name verspricht. Zutritt ab 21, mit Ausweiskontrolle. Ich lächelte den Türsteher an, sah, wie er mit schnellem Blick meine bei diesem schmeichelnden Licht kaum zu erkennenden Augenfältchen zählte und gewährte mir ohne Vorzeigen des Ausweises Einlass. Hm.
Hawaiianisches Wort des Tages:
po ‚alua – Dienstag
Windstärke: 8 km pro Stunde
Wetter: 23 Grad, schön sonnig