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All posts for the day Juli 13th, 2016

Mein Gott, war das Schiff winzig! Es war ja kaum wahrnehmbar! Im Vergleich zu meinen anderen Kreuzfahrten würde dieses hier quer in den Kofferraum der Norwegian Sun oder Adventure of the Sea einparken können. Ich stelle die Frage in den Raum, ob es überhaupt über einen Motor und eine Schiffsschraube verfügt oder ob durch die kleinen Bullaugen kurz über dem Wasserspiegel die Ruderstangen zum Ablegen ausgefahren werden. Wird es Strom in meinem Bad geben? Ja, Licht im Bad wäre eine Verbesserung um 100%. Und eine Klimaanlage wünsche ich mir.

Meine Kabine war überraschend groß. Größer als mein Apartment in Nizza. Und Licht im Bad gab es auch. Nun war mein Glück fast vollkommen. — Oh, ich hab den Schiffsmotor gefunden. Direkt unter mir. Und mit „direkt unter mir“ untertreibe ich nicht. Also ich sitze quasi auf dem Kohleberg der in die Öfen gefeuert wird. Ein Blick auf den Schiffsplan bestätigt meine Befürchtung. Ja, ich schlafe direkt über den Maschinenraum und der Schiffsschraube. Noch tiefer und weiter hinten auf dem Schiff war quasi nicht möglich. Ein vibrieren wird mich die nächsten Tage und Nächte in den Schlaf rütteln. Oder ich versuch es mal mit einem Kabinentausch. – Kurz diskutiert, äh, nein, der klappt nicht. Vermutlich weil ich „Ich möchte den Kapitän sprechen, sofort!“ nicht an das Satzende stellte. Das merke ich mir einfach für die nächste Beschwerde.

Apropos Kommunikation:
Es gab 3 Sätze, die ich innerhalb der ersten 30 Minuten an Bord gehört habe.

Der erste Satz erfolgte, da war ich noch keine 5 Meter auf dem Schiff: I like your hair colour. Das hatte man mir auch schon zweimal am Flughafen gesagt. Wenn ich für diesen Satz jedesmal Geld bekommen hätte, könnte ich problemlos auf eine Juniorsuite upgraden. Und hätte immer noch Geld für einen Cocktail übrig.

Der zweite Satz kam vom musikalisch äußerst talentierten Klavierspieler, dessen Proben ich heimlich im Theater lauschte und mit einem unüberhörbaren Doppelniesen abrupt unterbrach. Er sagte Bongiorno und noch irgendwas fließend auf italienisch dass sich anhörte wie eine Einladung zu seiner italienischen Großfamilie zum Weihnachtsfest. Ich schlich mich leise davon.

Der dritte Satz beunruhigte mich etwas. „Aufgrund der schlechten Wetterlage und mittelschwerer See werden wir nicht in Capri vor Anker gehen, sondern weiter nach Neapel fahren“. Mittelschwere See?!!? Schlechte Wetterlage!??! Auf diesem Kahn möchte man doch bittesehr ausschließlich schönes Wetter erleben und jeglichen Seegang, sei es auch eine noch so kleine Welle, vermeiden! Aussteigen ist zu spät. Ich versuche jetzt erst einmal diesen Gedanken zu überhören, was auch recht einfach gelang, da gerade die Maschinen angeworfen wurden.

Gut dass ich bereits gegessen hatte. Das kleine Vanillepudding-Eclair, dass sich auf dem Rückweg in meine Hand geworfen hatte, steckt mir noch im Hals, als das mit dem Wetter so richtig losging. WAS? Jetzt gibt es schon mittelschwere See? Ich dachte erst übermorgen! Dann hätte ich ausreichend Zeit gehabt, mir die höchstmögliche Medikation an Reise- und Beruhigungstabletten zu verabreichen. Nun werde ich mich nüchtern den Naturgewalten stellen.

Meine Schranktüren ließen sich nicht bändigen, sie schossen mit einem lauten Knall von rechts nach links, nach rechts, nach links, rechts, links, rechts, links. Irgendwas purzelte im Bad auf den Boden. Inzwischen waren mir auch die kleinen schwarzen Tierchen egal, die aus meinem Duschabfluss kletterten. Flüchten Tiere nicht instinktiv bei drohender Gefahr? Ich ging noch einmal die gesamte Rettungsübung von heute Nachmittag durch und wünschte, ich hätte Gaffa und Kabelbinder eingepackt, um mich auf dem Bett fixieren zu können.

Würde sich im wahren Leben ebenso wie im Film dramatische Musik in die Hintergrundgeräusche einblenden, dann wüßte ich, wann es gefährlich wird. Ich glaube, jetzt wäre die Musik bei mir am dramatischsten.

Wetter: 29 Grad, schön warm
Ort: Salerno
Gelaufenen Kilometer: 9

Hätte mein Badezimmer Licht, wäre mir sicher aufgefallen sein, dass ich die Sonnencreme mit eingebautem Make up gegriffen hatte. Großflächig aufgetragen und nur unliebsam verteilt, verließ ich mein winziges Apartment. Zeit für einen Check im Minimarkt an der Ecke hatte ich bedauerlicher Weise nicht. Ja, bedauerlicher Weise. Erst der Spiegel auf der Flughafentoilette offenbarte mir mein Schicksal der letzten halbe Stunde.

Zeit zum Nägel lackieren hatte ich im Wartebereich am Ausgang A3 vor dem Treffpunkt der Kreuzfahrtreisenden ausreichend. Ich war froh, den schnell trocknenden Lack gekauft zu haben. Aber was ist schnell trocknend? Ich beginne meditativ zu lackieren: In den Augen einer Eintagsfliege vermutlich ein halbes Leben. Von einer Riesenschildkröte aus betrachtet mehrere Jahrzehnte. In meinen Augen waren es jedoch mehr als 60 Sekunden — das jedoch versprach die plakative Werbung. Ich hatte doch sooo viel Zeit, warum also Hektik beim Nägeltrocknen! So. Trocken. Nun leuchten meine Nägel an Händen und Füßen in sattem Rot mit dem vielversprechenden Namen „Russisch Roulette“. Selbst die bewaffneten Sicherheitskräfte in ihren Tarnanzügen waren von der Leuchtkraft beeindruckt und grinsten mir wohlwollend zu.

2 Stunden am Flughafen vergingen rasant schnell. Für ausreichend Ablenkung nach dem Nägeltrocknen sorgte nahtlos der vor meiner Bank parkende private Fahrservice mit seinen in schwarzen, engsitzenden Designeranzügen, dunklen Sonnenbrillen und typgerechten Haarschnitten gestylten Fahrern. Unter dem Hemd befindet sich sicher ein 8 Pack gestählte Bauchmuskulatur. Ich hätte länger abwägen müssen, ob ich mich für das Auto oder den Fahrer entscheiden sollte. Aber die Frage stellte sich ja Gott sei Dank nicht.

Nun geht es erst einmal mit dem Shuttlebus zum Hafen Savona. Der Fahrer heisst Philippe. Er ist nicht mit einem dieser schwarzen, engsitzenden Anzügen bekleidet, hat keine dunkle Pilotenbrille und einen Haarschnitt trägt er schon seit Jahren nicht mehr. Dafür aber einen goldenen Ohrring, der von seiner in Falten gelegte Stirn dramatisch ablenkt. Ich sitze direkt hinter ihm und kann auf seine letzten 4 verbliebenen grauen Haare schauen. Kaum merklich bewegen sie sich im sanft wehenden Wind des Ventilators. In der Windschutzscheibe spiegelt sich im Tunnel sein Gesicht und die goldene Kette, die ich offensichtlich vorhin übersehen hatte. Sein rosafarbenes Hemd war bis zum letzten Knopf geöffnet. Das Kreuz am Spiegel hypnotisiert mich in den Schlaf. Ja, Schlaf wäre jetzt gut. Nachts hat das nicht wirklich funktioniert. Bei Chez Maria war zwar endlich mal nicht los, dafür aber ausreichend in der Wohnung über mir. Und da ich mit meinem Hochbett quasi unter der Decke hing, war es um so erlebnisreicher.

gkdjfdsjfhehkfmcngezgLKFUjfsjldkmdn: bin wohl eben eingeschlafen und habe mit meinem Kopf über die Tastatur gerollt.

Oh, Savona!