Mein Gott, war das Schiff winzig! Es war ja kaum wahrnehmbar! Im Vergleich zu meinen anderen Kreuzfahrten würde dieses hier quer in den Kofferraum der Norwegian Sun oder Adventure of the Sea einparken können. Ich stelle die Frage in den Raum, ob es überhaupt über einen Motor und eine Schiffsschraube verfügt oder ob durch die kleinen Bullaugen kurz über dem Wasserspiegel die Ruderstangen zum Ablegen ausgefahren werden. Wird es Strom in meinem Bad geben? Ja, Licht im Bad wäre eine Verbesserung um 100%. Und eine Klimaanlage wünsche ich mir.
Meine Kabine war überraschend groß. Größer als mein Apartment in Nizza. Und Licht im Bad gab es auch. Nun war mein Glück fast vollkommen. — Oh, ich hab den Schiffsmotor gefunden. Direkt unter mir. Und mit „direkt unter mir“ untertreibe ich nicht. Also ich sitze quasi auf dem Kohleberg der in die Öfen gefeuert wird. Ein Blick auf den Schiffsplan bestätigt meine Befürchtung. Ja, ich schlafe direkt über den Maschinenraum und der Schiffsschraube. Noch tiefer und weiter hinten auf dem Schiff war quasi nicht möglich. Ein vibrieren wird mich die nächsten Tage und Nächte in den Schlaf rütteln. Oder ich versuch es mal mit einem Kabinentausch. – Kurz diskutiert, äh, nein, der klappt nicht. Vermutlich weil ich „Ich möchte den Kapitän sprechen, sofort!“ nicht an das Satzende stellte. Das merke ich mir einfach für die nächste Beschwerde.
Apropos Kommunikation:
Es gab 3 Sätze, die ich innerhalb der ersten 30 Minuten an Bord gehört habe.
Der erste Satz erfolgte, da war ich noch keine 5 Meter auf dem Schiff: I like your hair colour. Das hatte man mir auch schon zweimal am Flughafen gesagt. Wenn ich für diesen Satz jedesmal Geld bekommen hätte, könnte ich problemlos auf eine Juniorsuite upgraden. Und hätte immer noch Geld für einen Cocktail übrig.
Der zweite Satz kam vom musikalisch äußerst talentierten Klavierspieler, dessen Proben ich heimlich im Theater lauschte und mit einem unüberhörbaren Doppelniesen abrupt unterbrach. Er sagte Bongiorno und noch irgendwas fließend auf italienisch dass sich anhörte wie eine Einladung zu seiner italienischen Großfamilie zum Weihnachtsfest. Ich schlich mich leise davon.
Der dritte Satz beunruhigte mich etwas. „Aufgrund der schlechten Wetterlage und mittelschwerer See werden wir nicht in Capri vor Anker gehen, sondern weiter nach Neapel fahren“. Mittelschwere See?!!? Schlechte Wetterlage!??! Auf diesem Kahn möchte man doch bittesehr ausschließlich schönes Wetter erleben und jeglichen Seegang, sei es auch eine noch so kleine Welle, vermeiden! Aussteigen ist zu spät. Ich versuche jetzt erst einmal diesen Gedanken zu überhören, was auch recht einfach gelang, da gerade die Maschinen angeworfen wurden.
Gut dass ich bereits gegessen hatte. Das kleine Vanillepudding-Eclair, dass sich auf dem Rückweg in meine Hand geworfen hatte, steckt mir noch im Hals, als das mit dem Wetter so richtig losging. WAS? Jetzt gibt es schon mittelschwere See? Ich dachte erst übermorgen! Dann hätte ich ausreichend Zeit gehabt, mir die höchstmögliche Medikation an Reise- und Beruhigungstabletten zu verabreichen. Nun werde ich mich nüchtern den Naturgewalten stellen.
Meine Schranktüren ließen sich nicht bändigen, sie schossen mit einem lauten Knall von rechts nach links, nach rechts, nach links, rechts, links, rechts, links. Irgendwas purzelte im Bad auf den Boden. Inzwischen waren mir auch die kleinen schwarzen Tierchen egal, die aus meinem Duschabfluss kletterten. Flüchten Tiere nicht instinktiv bei drohender Gefahr? Ich ging noch einmal die gesamte Rettungsübung von heute Nachmittag durch und wünschte, ich hätte Gaffa und Kabelbinder eingepackt, um mich auf dem Bett fixieren zu können.
Würde sich im wahren Leben ebenso wie im Film dramatische Musik in die Hintergrundgeräusche einblenden, dann wüßte ich, wann es gefährlich wird. Ich glaube, jetzt wäre die Musik bei mir am dramatischsten.
Wetter: 29 Grad, schön warm
Ort: Salerno
Gelaufenen Kilometer: 9