Kreuzfahrt nach Südafrika

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Ort: Agadir, Marokko

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Ort: Agadir, Marokko

Ja, so könnte es Kai-Uwe ergangen sein. Vielleicht aber auch nicht.

Vielleicht hieß Kai-Uwe ja auch Wolfgang und war ein kleiner Draufgänger im besten Alter. Sicher hatte er in jedem Hafen eine Schwalbe. Vermutlich erzählte er Hannelore, beide lebten auf Mallorca in einem ruhigen und gemütlich eingerichteten Alterswohnsitz und Rundumbetreuung, dass er schnell mal Zigaretten holt, sie aber mit dem Essen nicht auf ihn warten solle. Dann bügle er noch schnell sein Federkleid, schrieb nen Abschiedsbrief und ab geht’s. Ruff uffn Kutter und ab nach Marokko. Leila wartet sicher schon in ihrem kurzen Schwarzen auf ihn.

Ja, das könnte auch die Geschichte des kleinen flauschigen Vogels sein, der sich nun auf Deck 12 die Kuchenkrümel in den kleinen Körper stopft und vermutlich heute Nacht platzen wird.

Was für eine traurige Geschichte.

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Casablanca. In der deutschen Übersetzung gleichdeutend mit käseweiß. Casa wie Käse und Blanca weiß eben. Ist ja klar. So weiß wie Ollis dünne Waden. Er spricht ja von muskulösen Waden, ich hingegen würde behaupten, dass Kai-Uwe, der übrigens noch immer im orangefarbenen Rettungsboot mit dem sonnigen Namen „Panama“ nistet, am Schienbein mehr Muskeln hat. Aber Ansichtssache.

Ort: Casablanca, Marokko

Nun, wer glaubt dass man die Aufschrift „niemals unneutralisierte Lösung ins Auge geben“ ignorieren kann, der irrt. Wie uns aus der Presse reichlich bekannt ist, wird ja oftmals viel Blödsinn geschrieben. Also – ein Versuch war es demnach wert. Allerdings, so muss ich zugeben, hätten mich wohl doch die 3% Peroxide etwas stutzig machen sollen.

Um es kurz aber dennoch ausreichend schmerzvoll zu beschreiben: Aaaaaaauuuuuuuaaaaaaaaaa!!!! Auge brennt wie Feuer, Auge glüht ebenso rot, Auge geschwollen wie Ollis Fuß.

Die Sonnenbrille wird die nächsten Stunden mein Begleiter sein. Und ich habe gelernt, nicht alles was geschrieben steht muss zwingend gelogen sein. auuuuuuaaaaa!

Aaahhhhh ja. Ein Vogel ist also auf dem Schiff. Ein bunter winziger Vogel. Und er flatterte einfach so bei den Rettungsboten rum. Auf hoher See, mitten im der Nacht. Mmmhhh, soso. – Vielleicht gab sich Olli zu sehr dem Gesang der Sirenen hin, der offensichtlich nach jedem Glas Bier lauter wurde.

Und dann, heute Mittag sah ich auch, ganz ohne Bier und Sirenengesang. ein kleines fliegendes Federknäul. Es hüpfte auf dem Boden verwirrt hin und her und war offensichtlich auf der Suche nach lecker Krümel von den bunten, kalorienreichen Törtchen. Also, was bewog nun diesen kleinen Vogel in die weite Welt hinauszuziehen oder war es doch bloß ein schwerer Schicksalsschlag? Ich spekuliere mal:

Kai-Uwe, so nenn ich das kleine Federvieh jetzt mal spontan, also … Kai-Uwe war allein zu Haus. Nestarrest, weil er heimlich ne Party mit willigen Hühnern gefeiert und anschließend die Bude vollgekotzt hatte. es gab also Ärger im heimischen Designernest. Da beschloss Kai-Uwe abzuhauen. Er flog los, ohne Navi und Orientierung, setzte sich nach langer Reise erschöpft in ein orangefarbenes Rettungsboot mit dem Namen „Panama“, das vor einem Kabinenfenster auf Deck 6 baumelte und schlief ein. Er träumte von der großen weiten Welt und der Möwe Jonathan, die so viel kluge Sprüche in ihrem spitzen Schnabel trug. Nun denn, Kai-Uwe wachte irgendwann mitten in der Nacht vom Gesang der Sirenen oder von dem auf Deck 6 rumpolternden Olli auf und geriet in Panik. Er flatterte mit seinen kleinen Flügelchen hektisch auf und ab und musste nach 3 Stunden selbstgemachten Stress erkennen, dass er nun blinder Passagier auf einem Kreuzfahrtschiff, das sich auf direktem Weg nach Marokko befindet, war. Klar, es gibt sicher schlimmeres, Karaoke mit rüstigen Rentnern zum Beispiel, aber für Kai-Uwe war dies der schlimmste Augenblick – der ungefähr 1,3 Sek. andauerte. – Kurz die Situation analysiert, eine kleine Excel mit Pro’s und Contra’s geschrieben und schon hüpfte Kai-Uwe munter zwischen den Reisenden umher und bettelte nach Krümel. Ich schau heut Abend mal, ob ich n bisschen Hühnchenfleisch vom Buffet ins Zimmer schmuggeln kann. Daraus kann ich sicher einen kleinen lustigen Vogelkörper formen. Ausgeschmückt mit ein paar Federn aus dem Kopfkissen und Vogelgezwitscher aus meinem iPod könnte ich Kai-Uwe sicher eine lustige Gefährtin basteln.

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Olli und ich waren pünktlich um 8 Uhr  die letzten am reichhaltig gefüllten Frühstücksbuffet. Völlig entspannt, friedlich gestimmt stand ich schlaftaumelnd vor dem Kaffeeautomaten und rang mit mir, welches Getränk wohl heute optisch besser zu meinem bunt gemusterten Plastikteller passte. Ungeahnt bahnte sich von Nordnordwest Unheil an. Eine rüstige Rentnerin mit unaufhaltsamem Stechschritt drängte mich mit ihrem knochigen Ellenbogen und ihrem tödlichen 4711-Geruch rücksichtslos in Abseits. Als wäre das nicht schon übel genug gewesen, strafte sie mich mit ihrem stechenden Blick noch einmal ordentlich bevor sie das Wasserloch verließ. Ja, es ist traurig, aber tatsächlich kein Einzelfall. Beobachtungen der letzten Tage haben deutlich gezeigt, dass Futterneid in Verbindung mit hohem Alter ungeahnte Kräfte freisetzt. Und damit sei der Ausspruch bewiesen: je oller, je doller.

Wäre ich nun meinem inneren Drang gefolgt, hätte ich ihr den Krieg erklärt. Sie ebenfalls geschubst, ihr wenigstens an den grauen zottligen Haaren gezogen oder die kleinen dürren Fingerchen verdreht. In diesem Fall wäre ich sicher als rücksichtsloses Miststück in die Kreuzfahrtgeschichte eingegangen und hätte laut Bordmanifest den Rest der Reise im Maschinenraum verbringen oder wenigstens in der Kombüse Kartoffeln schälen müssen. Nun, ich besann mich also eines Besseren, blieb ruhig und schwor gnadenlose Rache. Entkommen konnte sie mir ja nicht. Vielleicht nehme ich ihr morgen einfach das letzte Spiegelei vom Buffet oder schiebe einen Drohbrief unter ihrer Kabinentür durch. Ich könnte auch jeden Tag das „Bitte nicht stören-Schild“ von der Tür stehlen oder noch besser … ich melde sie einfach bei der heutigen Karaoke an. So!

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Nun mal ehrlich: ihr seit im Urlaub … wie sehr freut ihr euch, wenn die hellste Sonne strahlt, der Himmel über euch nicht blauer sein könnte, euch eine leichte Brise um die Nase weht und es zu Hause bitter kalt ist und in Strömen regnet. Wir tun es grad – wir freuen uns tierisch drüber – bis eben jedenfalls. Da las ich eine email unserer Hausverwaltung, die dringend in unsere Wohnung müsse. Es regnet in den Wohnungen untern drunter furchtbar durch. Die Leute sitzen bereits mit Wassereimer im ihren Wohnzimmern und lauschen dem synphonischen pling, pling, pling, plong der herabfallenden Wassertropfen. Nun ist ja eine gewisse Luftfeuchtigkeit für Haut und Grünpflanze besonders gut, allerdings bin ich mir in der Dosierung nicht ganz sicher. Was tun? Der Wohnungsschlüssel liegt in meiner kleinen grauen Tasche, und meine kleine graue Tasche macht grad bei 33 km/h und bei 39 Grad 21′ 20″ N und 2 Grad 27′ 56″ E Urlaub auf hoher See.

Nun denn, ich würde unseren Nachbarn im 4.OG Seitenflügel rechts wohlwollend empfehlen: Regelmäßig Eimer leeren, Fernseher lauter drehen und auf besseres Wetter hoffen. Ich bestell jetzt mal schnell welches für die Nachbarn mit den nassen Socken.

Ort: Mallorca, Spanien

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Die Sonnenliege – solang der urlaubmachende Mensch denken kann ist sie ein ewiges Streitobjekt.

Olli kann ja inzwischen -und Dank der brünetten Krankenschwester- nun ein wenig sportlicher hinken. Es schafft es sicher schon auf gute 600 m in 20 min. und damit wäre er schon ganz weit vorn beim täglichen Kampf im die Sonnenliegen. Wenn da nicht die Aerobicsüchtigen und Bewegungswahnsinnigen wären, die ihn täglich an Schnelligkeit herausfordern und an seine Grenzen bringen. Aber hey, kein Grund zur Sorge, denn es gibt ja auch noch die andere Gruppe. Die noch langsamer Laufenden. Was ich aber definitiv unterschätzt habe ist, dass sich unter ihnen zahlreiche senile Bettflüchtlinge befinden, die sich einen zeitlichen Vorsprung zu Nutze machen. – Was verdammt noch mal veranlasst sie nur um 5 Uhr morgens aufzustehen um pünktlich und mit frischer Dauerwelle um 6 Uhr beim earlybird Frühstück zu sitzen? Der Kaffee wird vermutlich nicht besser sein als der zu meiner Frühstückszeit. Vielleicht steppt ja der weiß gelockte 65 jährige Kapitän auf dem Buffet und singt dabei „We will rock you“. Oder es ist am Frühstücksbuffet wesentlich ruhiger als vor den Kabinen, denn die Stewards haben es zur sportlichen Disziplin entwickelt, ihre Wagen geräuschvoll und mit begleitenden Randnotizen über die Gänge zu schieben.

Nun, weil wir eh keine Chance auf einen Platz an der Sonne haben, bleiben wir heute den ganzen Tag in unserer Kabine. Die hat nämlich Aussicht so weit das Auge blicken kann und wenn es dann von zu viel Aussicht zu langweilig wird, schauen wir einfach das abwechslungsreiche Bordfernsehen  oder machen bei einem der tollen Aktivitäten mit.

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Ort: Valletta, Malta

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Was ist die genaue Definition einer Außenkabine mit „beschränkter“ Sicht:

a) gar keine Sicht
b) eine minimale Aussicht wenn man in einem Winkel von exakt 90 Grad nach unten schaut und Schiffsboden erkennen kann
c) oder direkt vor dem Fenster ein orangefarbenes Rettungsboot mit dem Namen „Panama“ hängen zu haben

In unserem Fall: alles zusammen. Es war an der Zeit für eine geringfügige Korrektur! Ein wenig Terz hier, etwas wortgewaltige Beschwerde dort. Leichte Drohungen da drüben. Gefolgt von geräuschvollen Diskussionen mit den sprachgewandten und dauerlächelnden Damen an der Rezeption. Und schwupps, wir zogen nach nur einem Tag Zickenterror um. Nun schlummern wir in einer Kabine mit wirklicher Aussicht. Aussicht soweit das Auge sehen konnte. Aussicht bis Malta, denn … Alter Falter, wir sind heut in Malta.

Ja, der Olli. Dem gehts gut. Allerdings hat sich sein Fuß inzwischen in die Größe eines Medizinballs mit einem atemberaubenden Farbspiel verwandelte. Wie harmonisch sich sein Fuß mit dem fantastischen Farbspiel  zwischen gelb, grün, blau und schwarz in das Gesamtbild unserer Tagesdecke einfügt. Ein Traum.

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Venedig, die Lagunenstadt. ha! Hätten wir gewußt, daß die Sirenen zum Frühstück nicht zum Morgengebet aurufen, wäre ich vermutlich nicht so voller inbrunst mit meinen neuen Gummistiefeln durch das kniehohe Wasser am Piazza San Marco gewatet. Und vermutlich hätte ich auch nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass die endlos langen aufgestellten Stege kein Catwalk für eine bevorstehende Modenschau sind. Aber hey, ich hab Urlaub und zu meiner Entschuldigung sei zu sagen, dass sich mein Gehirn im Sleepmodus befindet. Um es kurz zu fassen: Venedig wird heute Nacht und morgen früh fast komplett Land unter sein.

Gummistiefel an den Füßen ist ja prinzipiell ne gute Idee, aber wie sollen wohl unsere Koffer trocken zum Kutter schwimmen? Reichlich Nass von oben und unendlich viel Wasser von unten – geschätzte 90 % soll die Stadt sollen morgen früh abgesoffen sein. Hochwasserwarnung. 1,40 m über dem Normalstand. Wow, das klingt nach einer hohen Fangquote frischen Fisches, die sich in unseren Koffergurten verheddern könnten. Hm – what to do? Nach kurzer Bedenkpause und Befragung meines verlässlichen iphone-Orakels Adalbert haben wir uns entschieden aufzubrechen. Geordneter Rückzug – oder besser: hastig alles in den Koffer schmeißen, Gummistiefel an oder alternativ Mülltüten ums Schuherk gewickelt und vor dem Höchststand der Flut die Stadt verlassen. So zerrten wir also unsere 30 kg Koffer durch die stürmische Nacht. Wasser peitschte von allen Seiten. Von oben, unten, rechts, links und seitlich. Die gute Nachricht: Wir erreichten das letzte Boot – anschließend wurde der gesamte Schiffsverkehr eingestellt. Wieso fiel mir bei der Überfahrt nur das Gedicht John Maynard von Theodor Fontane ein? Ich konnte es fast noch auswendig – beängstigend! Mit dem lustigen „Die Schwalbe fliegt über den Erie-See, Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee“ auf den Lippen, schunkelten wir in einer 30 minütigen Überfahrt zur Piazzale Roma, um uns von dort aus aufs Festland zu retten. Gelungen.

Ort: Venedig, wo sonst

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Eigentlich fängt unsere Kreuzfahrt ja erst morgen an, aber zum Eingewöhnen haben uns die freundlichen Venezianer schon mal hektoliterweise Wasser in die Stadt gekippt. Land unter. Möwen schwammen auf dem Marcusplatz und versuchten dabei kleine Fische zu fangen. Die Preise für Gummistiefel passten sich minütlich dem Wasserpegel an. Vermutlich bekommt man heute Abend die Dinger für nen Preis eines Einfamilienhauses in bester Lage. Da ich nun auch stolze Besitzerin von High-End-Gummistiefeln bin, werde ich versuchen, sie morgen meistbietend an deutsche Touristen weiter zu verkaufen.

Ah ja, der Olli. der hat heute sein Attest stengstens befolgt. Von Punkt 1 bis 3

Ort: immer noch Venedig

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Nun … Hühnersuppe und jede Menge Trost brachten leider nicht die erhoffte Linderung. Und da wir ja seit 5 Stunden im Urlaub waren und damit auch alle Zeit der Welt hatten, verbrachten wir vollentspannt 6 Stunden in der Notaufnahme eines italienischen Krankenhauses. Neonlicht, fliegende Kittel, Pfleger in Birkenstocksandalen, wimmernde Patienten – ein Traum und ein ansehnlicher Urlaubsstart. Was der ganzen Situation ein wenig bitteren Beigeschmack verlieh war, dass die Ärzte leider nicht aussahen, wie es in bekannten Krankenhausfilmen immer suggeriert wird. Es gab auch keine langbeinigen, kurzberockten Krankenschwestern mit lockigen Mähnen und hochhackigen roten Schuhen, die Olli von seinem furchtbaren Schmerz ablenken konnten. Italien – ich hätte es eben besser wissen sollen.

Olli – ja der Olli. Der hat nun einen Pressverband und muss sich schonen. Sein Attest sagt:
rest
food elevated
pain relief

Das bedeutet für Olli:
rest: geil!  Sofa und rumgammeln
food elevated: geil!, Sofa, rumgammeln und sich bedienen lassen
pain relief: geil! Sofa, rumgammeln, sich bedienen lassen und jammern ohne Schmerzen

Für mich bedeutet das:
rest: verdammt, ich muss Kamera und den Fotorucksack alleine tragen
food elevated: nach 15 km Stadtbesichtigung auch noch durch die Wohnung (auf 2 Etagen!) jagen und Olli bedienen
pain relief: ich hoffe, die Tabletten wirken und er hört auf zu jammern

Ort: Venedig