17

Die Zutaten für das lecker Schlammsüppchen finden sich alle im Periodensystem wieder, dass uns jahrelang durch den Chemieunterricht begleitet hat. Ich saß immer links davon.
Die Ingredienzien sind fein ausgewählt. Wichtig: Sie dürfen keinesfalls frisch sein, sonst würde sich der wunderbar faulige und beißende Geruch nicht so geschmacksverfeinernd ausbreiten können. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist die richtige Farbwelt und Konsistenzen der Zutaten. Mystisch und grau-schwarz muss es schon sein. Schließlich isst das Auge ja mit. Das Problem allerdings ist, es ist gar nicht so einfach das ganze ganze Zeug im Truckershop um die Ecke zu finden. Wobei, mit Altöl frittieren die hier ihre Pommes auch schon mal ganz gern.

5

5

Man weiß es nicht, sind es dicke graue Wolken oder ist es der Nebel des Grauens, der sich erbarmungslos und ohne Rücksicht auf die „Immer-mit-der-Kamera-im-Anschlag-reisenden Islandtouristen“ über die Straßen legt. Man sieht kaum das Ende der eigenen Motorhaube, geschweige denn das Fahrzeug, das vor einem fährt. Das Gute an der schlechten Weitsicht ist, man läßt sich von der eintönigen Natur drum herum nicht ablenken und kann sich dadurch besser auf die unmittelbar neben einem im Straßengraben liegenden Schafe konzentrieren. – Ich glaub, ich werde mir die Route noch einmal über Google Streetview ansehen und Bildschirmprints machen. Ich glaub, das war ganz nett hier.

Wo wir doch nun schon mal beim isländischen Straßenverkehr sind: Die Ringstraße ist, wie der Name bereits verrät ein Ring, der einmal komplett um die Insel führt. Bist du auf der Ringstraße, kannst du dich nicht verfahren. Du kommst irgendwann dort wieder an, wo du einmal losgefahren bist. Auf besagter Ringstraße gibt es laaange Strecken nur geradeaus, seeeehhhhr laaaaaange Stecken nur geradeaus. Das Gute daran, das Navigationssystem unterbricht die geführte Konversation nicht pausenlos. Es gab auf einer Strecke von 253 km genau 3 wegweisende Sätze:
1. Folgen Sie dem Straßenverlauf seeeeeehhhhhr lange.
2. Im Kreisverkehr die 2te Ausfahrt nehmen.
3. Sie haben Ihr Ziel erreicht.
Großartig! Kurze, knappe Sätze mit dem wichtigsten Inhalt – und das von einer weiblichen Stimme, vermutlich die einer Elfe.

Wetter: hä, welches Wetter
Route: von Egilsstadir nach Myvatn
km: ca. 248

9

Der Tag begann mit zwei verbrannten Toasts und einem strahlendgrauen Himmel. Tief hängende Wolken, nein …. sehr tief hängende Wolken verschönerten uns den seichten Start in den Tag. Dunkle Töne, die deutlich auf eine sehr schwere Depression des Musikers hinweisen -vermutlich hat er mindestens zwei bis neun Alkohol- oder Tablettenentzüge erfolglos hinter sich gebracht- klangen bedrückt, verzweifelt, trübsinnig und resignierend aus der JBL-Anlage des nur von uns besetzten Frühstückssaals. Es war fast so, als stünde der Weltuntergang vor der isländischen Holztür. – Ach, ich liebe diese Leichtigkeit am Morgen. Was konnte diesen herrlichen Tag jetzt noch verderben? Es war dieser Satz, der es binnen Sekunden tat. Dieser kurze aber prägnante Warnhinweis verwandelte meinen persönlich funkelnden Sonnenstrahl in eine klebrigen Teerdusche, wie wir sie alle aus dem Märchen Frau Holle kennen: „It is not allowed to take anything out of the restaurant.“ Es handelte sich bei diesem „anything“ um vier winzig kleine rechteckige Kekse, die gemeinschaftlich aus der niederdrückenden Stimmung des Frühstücksbuffets ausbrechen und mich als Schlepper benutzen wollten. Bedauerlicher Weise wurde der zwischen Joghurt, Marmelade und Fischölkapseln geschmiedete Plan abrupt von der Herbergsleiterin vereitelt und ich durfte nicht eher vom Tisch aufstehen, bis ich alle Kekse aufgegessen hatte. Zur Strafe hab ich den letzten über den ganzen Tisch gekrümelt. So!!

Wetter: sprechen wir nicht drüber
Route: von Höfn nach Egilsstadir
km: ca. 333

Höfn.

9

Stille.

13

Island hat viele Pferde, ne Menge Kühe und unzählige Schafe. Zahlenmäßig knapp dahinter kommen sofort Fotografen. Ausgerüstet mit Highendgeräten, gigantischen Objektiven, Fotorucksäcken und -taschen, Tarnequipment und Stativen aller Preisklassen stehen sie in Rudeln auf Bergen, an Seen, vor Wasserfällen und an topgeheimen Plätzen. Es beginnt das endlos lange Aufbauen, Einrichten, Einmessen, Filter rauf- und runternehmen, Ausrichten, Stellplatz ändern, Einmessen, nochmal Stellplatz ändern, denn der Nachbar ist jetzt endlich weg und der hatte eine noch viel bessere Perspektive, ein weiteres Mal Einmessen, gewissenhaft prüfen, ob die ISO mit Blende und Zeit harmonieren und warten bis der Sonnenstrahl genau im richtigen Winkel auf das Objekt der Begierde trifft. Jeder ist mit sich, seiner Kamera und dem Foto seines Lebends beschäftigt. Keiner bewegt sich, um nicht in die Langzeitbelichtung seiner Nachbarn zu rutschen. Es ist ein friedvolles, ja gar liebevolles Miteinander, wären da nicht die ordinärem Haus- und Hoftouristen mit ihren im Supermarkt erstandenen Quicksnap-Kameras oder hosentaschenformatigen Modellen aus der Jahrtausendwende, deren Lack schon längst runtergekratzt ist und für die Batterien nur noch auf dem russischen Schwarzmarkt gehandelt werden. Unbeeindruckt der Szenerie und der Anstrengungen der Weltklassefotografen irren sie rücksichtslos und gemütlich spazierend mit ihren neonfarbenen Jäckchen und wasserdichten Hosen durchs mühsam komponierte Fotomotiv. Ich bin entsetzt über soviel Ignoranz und muss jetzt erst einmal, selbstverständlich unter Einhaltung aller Regeln der gebotenen Höflichkeit- die asiatische Reisegruppe vom Platz fegen. „Ey, weg da unten, sonst werfe ich mit Steine und glaubt mir, hier liegen ganze Felsen!“

Wetter: anthrazitfarben, laue 11 Grad, trocken
Strecke: Kirkjuklaustur – Höfn, ca. 199 km

13

Völlig entspannt grasen die zottligen Tiere auf den saftigen grünen Weiden oder liegen faul am Straßenrand, lassen sich die Sonne auf die struppige Wolle scheinen und zählen vorbeifahrende Touristen oder klettern auf unglaublich hohe Berge, die ein isländischer Bauer vermutlich nie erklimmen kann. Alles in allem sind die Tiere gelangweilt, vom einsilbigen Rhythmus ihres Lebens. Es scheint nicht viel los zu sein, auf Islands satten Wiesen und Weideflächen. Keine Feinde, die das kleine Schafsherz mal so richtig in Wallung bringen, keine zerzausten Hirtenhunde, die sie bis zur Bewusstlosigkeit über die Felder jagen, ja nicht einmal geistig verwirrte Islandponys zerstören das intakte Leben einer gut geordneten Schafherde.
Daher sind immer wieder Ausreißer zu verzeichnen, die sich durch Zäune und Gitter quetschen oder einfach durch ein offenes Gatter traben, um die Welt außerhalb ihres Zäunchens zu erkunden. Diese Tiere sind hochgradige Boarderliner. Völlig ungeachtet dessen, das sie binnen Sekunden als kratziger Islandpullover oder als rosafarbenes Kotelett im Tiefkühlregal enden könnten, springen sie munter auf die Straße und zwischen den Autos hin und her. Verrückte Dinger, die.

Wetter: super, Sonne satt und blauer Himmel, 15 Grad oder so
Route: von Vik nach Kirkjuklaustur
km: ca. 389 mit einigen schönen Umwegen

Aufm Mond.

13

Der frühe Morgen erwartetet uns mit saftigem Speckgeruch, der lautlos und unaufhaltsam unter unserer Tür hindurch kroch und sich sanft in die Nasenschleimhäute seiner Opfer eintätowierte. Ich hatte die Vermutung, dass bereits alle Frühstücksgäste ihren Platz um unser Bett herum eingenommen hatten und uns dabei zusahen, wie wir uns noch einmal die Decke über den Kopf zogen. Es gab irgendwann kein Verstecken und wir mussten uns der Tatasche stellen, aus dem liebevoll geschnitzten alten Holzbett aus Omas Zeiten zu kriechen.

Boh, Wetter gab es wieder keins. Hätten wir gestern mal den kleinen Pastateller für knappe 30€ bestellt, hätte heute ganz sicher die Sonne geschienen. Da wir uns aber für ein kleines Tässchen Pilzsuppe für schmale 15€ entschieden haben, meint der Himmel es heut so gar nicht gut mir uns. Der Blick nach draußen erinnert mich an eine Waschküche voller Nebelschwaden. Meine grandiose Idee, schnell wieder unter die gehäkelte Decke zu hüpfen und auf Sonnenschein zu warten, konnte sich leider nicht durchsetzen.

Der sorgsam ausgetüftelte Plan sah heute eigentlich vor, auf die Insel Heimaey zu schippern. Spontan landeten wir dann aber auf einer schwarzen Mondlandschaft mit einem gestrandeten Flugzeug. Genau das richtige Fotomotiv bei dieser hellschwarzen Wetterstimmung.

Zwei unerschwinglich teure Heißgetränke gegen frühen Nachmittag besänftigen offensichtlich den Wettergott und er ließ Milde walten. Die Sonne lachte am blauen Himmel und wir machten unser Fototour noch einmal rückwärts.

Wetter: schön ist anders, später dann super
Route: irgendwo im nirgendwo, schwarzer Strand von Vik, Kap Dyrhólaey, Vik

Zartes Grau.

17

Schlechtes Wetter gibt es nicht, es gibt nur verschiedene Farbwelten.

Nach so viel blau der letzen Tage haben wir uns heute für grau entschieden, allerdings in verschiedenen Abstufungen. Es gab Variationen zwischen hell, dunkel, mittel, mal mit Nass, mal ohne, dafür aber mit Wind, dann wieder ohne und trocken. Grau passte heut eh sehr viel besser zu meinen Schuhen.

Wetter: gar keins
Route: Kratersee Kerið, Selfoss, Urriðafoss, Seljalandsfoss, Skógafoss
km: 178

No Images found.

On se rod.

14

Nach einem lecker Frühstück mit Marmelade, Müsli und seichten Selbstmörderklängen aus den Lautsprechern -ich war ja schon immer der Ansicht, gut gemachte Deprimucke ist ein guter Start in den Tag- ging es los mit unserem sportliches Geländewagen -einem Nissan Qashqai- Richtung Golden Circle. „Bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“. Unterwegs Landschaft, viel „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ Landschaft, sehr viel Land „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ schaft. Und Pferde, Schafe, noch mehr „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ Landschaft. „Bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“. Jaaahaaaaaaaa.

Erster Stopp war der Nationalpark Þingvellir mit der berühmten Kirche und den 5 kleinen Häuschen, ein äußerste beliebtes Postkartenmotiv. Der Blick über den See ist atemberaubend, ein magischer Ort mit vielen Touristenbussen.

Es dampft aus der Erde, blubberndes Wasser in kleinen Tümpeln, Schwefelgeruch liegt in der Luft. Aaaaaaaaahs und Ooooooooohs aus der Ferne. Da ist der, der Strokkur. Drum herum eine Mondlandschaft, die monochrom fotografiert, an ein Schlachtfeld erinnert. Jetzt noch die Deprimucke vom Frühstück im Ohr und fertig ist der Beginn eines samstäglichen Spätfilms.

Den zahlreichen Monsterjeeps und Reisebussen folgend fuhren wir zum Gullfoss. Blauer Himmel und Sonnenschein und ein Regenbogen über dem Wasserfall. Ich hab tatsächlich Ausschau nach einem weißen Einhorn gehalten.

Weiter ging es über Stock und Stein, vorbei an Schafherden, für die wir sehr gern, sehr lange, sehr geduldig auf der Straße warteten, Reitergruppen, Islandponys, noch mehr Schafe und wieder sehr viel Landschaft zum Hjálparfoss, einem Wasserfall, der sich von zwei Seiten in die Schlucht stürtz. Wirklich schee, war es hier und keine Touristen weit und breit. – Ja, die Natur hat schon sehr viel Schönes.

Unsere Unterkunft ist ein Bauernhof. Das Zimmer ist liebevoll eingerichtet mit bestickten Kopfkissen und bunten Deckchen. Das Duschwasser hat einen dezenten Schwefelgeruch aber dafür gibts ne schöne Fußbodenheizung.

Das coole hier ist, vom kühl-designten Restaurant kannst du durch große Fenster direkt in den Kuhstall gucken und dir dein Stück Fleisch für den saftigen Burger am Objekt aussuchen :-))) Scherzle!!!! – Ja, ich find es schön, wenn Tier und Mensch so in Harmonie und Einklang miteinander leben und gemeinsam zu Abend essen.

Aber noch viel cooler sind die verrosteten Geräte auf dem Hof. Forken, Milchkannen, irgendwelches Gerät dessen Namen ich nicht mal googlen konnte und der kleine rostige Traktor, von dem nur noch das Gerippe übrig ist. Uns gefällt der Hof super!

Wetter: super!
Route: Reykjavik, Nationalpark Þingvellir, Laugarvatn, Haukadalur, Strokkur, Gullfoss, Fludir, Hjalparfoss, Skalholt
km: ca. 295

No Images found.

13

5

25 km sind wir zu Fuß durch Reykjavik gelaufen. Ja, richtig so groß ist das Städtchen eigentlich gar nicht, aber wir sind kreuz und quer und hoch und runter gelaufen. Und das Ganze gleich zweimal, weil es so schön war.

Wetter: sonnig, seeeehr windig und ca. 10 Grad

2

Muss man eigentlich quengelnde Kinder tolerieren oder darf man sich auch gern einmal mit Geschichtenerzählerstimme zu ihnen setzen und sie mit einem grausamen Märchen der Gebrüder Grimm erschrecken? Für dieses Vorhaben versuchte ich gerade Rotkäppchen zu rekonstruieren und überlegte, wie bildlich anspruchsvoll und farblich realistisch ich wohl die Szene ‚Wolf frißt Großmutter‘ beschreibe, als der kleine Nervtöter plötzlich Ruhe gab. Vermutlich Erschöpfung. Abgelöst wurde diese eine Sekunde der Stille durch frech-lustiges Klappern einer Monsterrassel, gefolgt von menschlichen Quietschtönen im Hochfrequenzbereich und mit der Lautstärke der Turbinen konkurrierender Dezibelzahl. Mein Trommelfell schlug Purzelbäume. Kurz vor dem Ende meiner persönlichen Tolerenzgrenze mischten sich fantastisch eintönige Sirenenklänge eines Feuerwehrspielzeugautos und die blecherne Stimme eines elektronischen Bilderbuches mit musikalischer Untermalung hinzu. Ich war kurz davor die nette Dame vom Catering zu bitten, versehentlich mit ihrem Speisewagen drüberzurollen oder den kleinen Balg wenigstens ins Klo zu sperren.

Ein zweites, drittes und viertes Kind stimmten ins Ringelreihen der lautstarken Kabinenbeschallung ein. Schreiend, weinend, brüllend und sogar pfeifend – im Dauerton und immer auf gleicher Frequenz. Ein Hochgenuss für jeden Musikliebhaber. Selbst ein Tinnitus klingt musikalischer.

Und als die Dame hinter mir offensichtlich größten Gefallen daran fand, pausenlos an meinem Sitz zu zerren, stand ich kurz vor meinem persönlichen Vulkanausbruch. Das war der Moment entweder an meinen Entspannungstropfen zu schnuppern oder fürchterlich Amok zu laufen. Ich entschied mich für ersteres. Für zweites war ich definitiv zu geschwächt und hätte auch nicht schnell genug vom Fensterplatz in den Gang springen können.

Ach, wie ausgesprochen unterhaltsam und kurzweilig doch einen Flug sein kann.

Route: Keflavik – Reykjavik, 37 km
Wetter: hellgrau, mittelgrau, dunkelgrau und stürmischer Wind von allen Seiten

Schaut genau hin, ganz da hinten sieht man die Wolke vom Bárðarbunga.

1

Es wird kühl.

Hula Henry kann noch so verführerisch mit den Hüften schwingen und dabei an seiner Ukulele rumzupfen. Er hat es nicht geschafft, uns von einem Reiseland mit Badetemperaturen und Sonnenbrandgarantie zu überzeugen. Hula Henry würde sich in seinem knappen Baströckchen eine saftige Blasenentzündig einfangen, wenn er mitkommen würde. Nein, Hula Henry, ich stricke Dir keine warmen Unterhosen. Du bleibst hier.

 

2014

Wohin es uns dieses Jahr verschlagen wird?

Island. Es wird Island.

Das Land der Elfen und Trolle, der muffig stinkenden Erdlöcher und vollgekackten Vogelfelsen, der Vulkane und funkelnden Gletscher, der bunten Farben und der kleinen, dicken, zottligen Pferde, der tanzenden Nordlichter und heißen Quellen, Land der endlosen Weite und des sportlichen Wetterwechsels.

karte island

geschätzte km: 3.300 mit dem Auto, 2-3 Fahrten mit der Fähre und vermutlich zahlreiche km zu Fuß über Stock und Stein

k-11

Ein letztes Mal Leinen los, Gas geben und Rückwärtsgang. Es stimmte uns ein wenig melancholisch unser Abenteuer heute zu beenden und die lieb gewonnene 25 m lange und 6 m breite Eiche-Rusikal-Schrankwand in ihren Heimathafen zu steuern. Sind wir doch gemeinsam durch dick und dünn gefahren, teilten glückliche und scheinbar ausweglose Situationen miteinander, haben mit ihr sanfte Brisen, Sturm, Wellen und gepeitsche See gemeistert. Quetschten uns durch Brücken, Schleusen und vorbei an entgegenkommenden Booten, ankerten gemeinsam in einsamen Buchten. Ja, ihr Krächzen und Knarzen bei rasanten Wendemanövern wird uns fehlen und auch das sanfte Wiegen in den Schlaf.

Bis zum nächsten Mal, kleine Santa Lucia.

4

Auf altbekannten Kanälen und Seen, durch bereits gefahrene Schleusen und vorbei an der berühmten Tankstelle ging es heute Richtung halbe Strecke zurück gen Heimat. Wir knoteten unser Hausboot in dem Hafen fest, in dem wir schon vor zwei Tagen lagen und wo „Mäusgen“ und der Kleine Feigling zu Hause waren. Unser Plan heute: das Holi Festival in Fürstenberg.

Sphärisch in die Luft zu hüpfen, dabei mit Farbpulver zu werfen, andere mit roter, blauer, gelber und grüner Farben zu beschmieren und auszusehen, als wäre man direkt vom 10 m Brett in einen Pelikan-Tuschkasten gesprungen – wunderbar! Pink im Ohr, grün unter den Nägeln, das Türkis das langsam den Rücken runter rutscht und vermutlich erst am Schlüppergummi stoppen wird und ein lilafarbener Auswurf beim nächsten Husten. Wir waren die Schmutzfinken, die Mutti früher ohne Umweg in die Badewanne gestellt hat. Großartig!

9

Sanft schlich sich das leise Brummen der Fäkalienpumpe in unser noch nicht zu Ende geträumtes Seemannsgarn. Leichtes Schaukeln überzeugte uns schnell, noch nicht wach zu werden und sich vom Geräusch des zart an den Bootsrumpf klopfenden Wassers noch eine Weile treiben zu lassen. Lautlos paddelt eine Entenfamilie in den Sonnenaufgang, Motten flogen orientierungslos in die über Nacht gewebten Spinnennetze, auf Nachbars Boot nistet unbeeindruckt eine Stockente und unaufhaltsam schlich sich ein neuer Tag in unsere Kajüten. Ein ruhiger Morgen am See.

Nach einem vollwertigen Frühstück, einem flüchtigen Blick auf die Wasserkarte und mit einem fast perfekten Plan manövrierten wir unsere sportlich fahrende Schrankwand im Rückwärtsgang auf den See. Unbeirrt von herumdümpelnden Enten, Blesshühnern und Schwänen steuerten wir siegessicher in die nächste Ausfahrt und hinein in neue unerkundete Galaxien.

Schleusen waren für uns erfahrene Seefahrer ja inzwischen Schipperalltag. Auch wenn jede Schleuse besondere Aufmerksamkeit erforderte, so wußten wir immer, worauf es ankam. Rein, festmachen, hoch oder runter, lösen und raus. Heute standen wir nun vor unserer ersten Selbtbedienungsschleuse. Ja, es gibt sie tatsächlich, die Selbstbedienungsschleusen. Also zur Erklärung: Selbstbedienungsschleusen sind -wie der Name schon sagt- Schleusen, bei denen man alles selber machen muss. Hier wird der Schleusenwärter gern eingespart und darauf gehofft, dass alles ohne ihn glatt geht. Nun denn … schnell im Handbuch nachgeblättert, kurz von Bord gesprungen, Bedienungsanleitung auf der Schleusentafel überflogen, zurück zum Boot und ab dafür. So schwer kann das ja nicht sein, und war es auch nicht. Grüner Hebel runter, die Tore öffnen sich, Boot rein, Boot festmachen, grüner Hebel runter, Wasser fließt raus, Tore gehen auf, Boot losbinden und Boot weg. Na das war doch ganz einfach.

Nachtrag: Wer sich nun fragt was die Überschrift mit dem Artikel zu tun hat, ich weiß es auch nicht. Pirente (Piratenente abgekürzt) klingt doch irgendwie vielversprechend für einen Artikel, oder?

9

Endlich ein Hafen mit einem großen Anleger, der unser Hausboot sicher in der rauen See der Mecklenburgischen Kleinseenplatte hält. Doppelknoten, schöne Schleife und wir hingen fest am Außensteg neben der kleinen Schilfinsel.

Nun, …. wie beschäftigen wir die Männer im Hafen ohne Alkohol? Wir waren vorbereitet! Enten angeln am Kinderstrand – eine großartige Idee! Mit auf den Rücken geklebten Magneten haben wir 30 strahlend gelbe Plastikenten mit ernsthaften Schwimmproblemen zu Wasser gelassen. Mit selbst gebastelten Angeln war es nun die Herausforderung, die kleinen Viecher aus dem seichten Uferwasser zu fischen. Keine leichte Aufgabe, wenn man weiß, dass getapte Teelichter zum Beschweren der Angelschnüre dienten. – Es war ein Spaß, eine Freude und Party zugleich.

Irgendwann hatte es sich ausgeangelt und alle Tierchen wurden umweltgerecht ihrer Endbestimmung zugeführt. Aber der Abend war noch jung, der nächsten Schauer noch 1-2 Stunden entfernt. Die nächste Spaßidee wurde angekündigt. Eine Schnitzeljagt durch eine kleine beschauliche Ortschaft, von der wir nicht wußten, was sie uns für das Verstecken unserer Hinweise bieten würde. Mit Kreide, Symbolen und Fragekärtchen unterm Arm liefen wir mit einem fünfzehnminütigen Vorsprung los und ließen uns mal überraschen. Hier ein blauer Pfeil nach dort, dort ein roter Pfeil nach hier. Oder ein gelber Pfeil nach da drüben und wieder zurück. Wir versteckten Kärtchen mit Fragen und Aufgaben und kennzeichneten idiotensicher den Weg zum nächsten Fundort. Vorbei ging es an Gärten, Bushaltestellen, Höfen und Häusern und bei Klaus Glück.

Klaus Glück betreibt ein kleines Restaurant, dass Mitte der siebziger seinen Zenit erreichte und inzwischen wieder das Comeback dieser Zeit feiert. Bei Klaus Glück stand auf dem Kalenderblatt definitiv noch der 9. Mai 1973 und dass würde sich die nächsten 23 Jahre nicht ändern. Ein Urgestein der Gastronomiegeschichte und definitiv der coolste Typ am Platze.

Klaus Glücks Einkehrstübchen lag so perfekt am Wegesrand, dass wir beide Jungs ohne Umweg hineinlotsten. Ihre Aufgabe: Bestellt euch zwei Kümmerlinge. Das war doch schon mal einfach. Während wir also durch das Örtchen schlichen und eifrig neue Aufgaben und Hinweise versteckten, Kreidepfeile auf die Straße malten und Bäume mit Hinweisen verzierten, tranken die beiden Kümmerling mit Klaus. Es gibt wirklich Schlimmeres.

Nur um einmal einen Eindruck der Schwierigkeitsstufen der Aufgaben zu vermitteln, hier einige Beispiele: denkt euch ein Gedicht aus, zeichnet ein Haselhuhn, knetet unser Hausboot, fragt im Hafenrestaurant nach dem Preis für ein Stück Kuchen mit Sahne, pflückt einen Blumenstrauß. Letztes war nicht ganz uneigennützig, denn dieses bunte Wiesengrün sollte später unsere schwimmende Schrankwand zieren. Spontane Planänderung waren keine Seltenheit und eine der letzten Aufgaben lautete entsprechend neu: Schenkt dem Klaus den Blumenstrauß. Das wiederum zog eine weitere Aufgabe mit sich: … und bestellt euch anschließend ein Bier. Klaus fand das Rein und Raus und gemeinsame trinken mit den beiden ersten Offizieren offenbar sehr unterhaltsam, sodass er anschließend noch eine Runde Kümmerling schmiß und die Jungs dann anschließend rauswarf. Mit allen erfüllten Aufgaben, drei Bieren und zwei Kümmerlingen im Turm kehrten unsere Schnitzelsucher wieder Heim aufs Boot.

Ausklang fand der erlebnisreiche Tag mit einem Diskoabend. Zwar ohne Klaus Glück, dafür aber mit Klassikern von Michael Jackson und Kurt Cobain. Für die, die noch länger wach bleiben konnten, spielte Motörhead zum finalen Tanztee. Die schwimmende Schrankwand bebte im Rhythmus von Punk, Hardrock und Heavy Metall, dem Steg blieb keine andere Wahl als gelangweilt mitzuschwingen, die Yachten neben uns wackelten verständnislos in ihren Ankerbuchten. Zwischendurch hatten wir die Vermutung, man würde uns heimlich vom Steg lösen, auf die offene See hinausstoßen und einfach uns unserem Schicksal überlassen.