Das ist wohl im Allgemeinen eine Frage, die sich die gesamte Menschheit stellt. Heute stand ich vor der Herausforderung zwei meiner offensichtlich verschiedenen Leben zu offenbaren.
Zugegeben, ich höre Stimmen. Sie erzählen mir lustige Geschichten vom ganz normalen Wahnsinn, ich lausche ihnen ein wenig und dann lachen wir zusammen. Bis heute wußte ich allerdings nicht, dass sie offensichtlich auch zu Personen gehören. – Übrigens 9 von 10 Stimmen sagen ich sei irre. Eine summt. Ich glaube aber, das ist mein Tinnitus. Oder ein Chipmunk.
Die russische Fotografin:
Der Skipper, der mich von Mahé nach Moyenne Island shipperte, war der festen Überzeugung ich sei eine russische Fotografin. Er schwor auf die heilige Miesmuschel, dass wir uns sogar kennen würden. Nun, ich kenne weder die heilige Miesmuschel noch den Skipper, was ich aber während der 40minütigen etwas holprigen Überfahrt tatsächlich tat war, die Zahlen von 1 bis 100 in meinem Kopf auf Russisch hoch- und runter zu zählen. Dabei hatte ich weniger die Absicht, meine längst ausgelagerten Sprachkenntnisse zu defragmentieren, sondern mich vielmehr mit etwas sehr Abstrakten von der rasanten Berg- und Talfahrt abzulenken. Ich hätte auch über die Relativitätstheorie nachdenken können oder über die Entstehung von schwarzen Löchern und deren kausalen Zusammenhang mit der Kariesquote bei Vorschulkindern sinnen können, und vermutlich hätte ich auch das Zählen in Kisuaheli oder auf Norwegisch hinbekommen, aber die russische Sprache schien mir in diesem Augenblick doch am vertrautesten. – Schon komisch.
Die Undercover Agentin:
Die F&B-Managerin des Schiffs stand mit mir im Fahrstuhl zum Deck 10. Ich war auf dem Weg zum Abendessen, sie nicht. -In Fahrstühlen herrscht immer eine merkwürdige Situation. Alle starren auf den Boden und schweigen. Aber egal.- Sie sprach mich an und sagte, sie wäre etwas verwirrt (diesen Zustand kenne ich durchaus), denn ich würde aussehen wie eine wichtige Person aus dem Costa-Management. Es ging unter der Crew die Frage rum, ist sie es, oder ist sie es nicht. Aha, das würde die hektischen Blicke erklären, die mir beim Boarding in Port Louis etwas bedenklich vorkamen. -Sehr lustig.
Das heißt, offensichtlich gibt es da draußen noch mehr von mir. Und ich bin der Meinung, wir sollten uns dringend einmal kennenlernen und für ne Woche die Identitäten tauschen.