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All posts for the day Mai 8th, 2014

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Der Kanal führte uns zum nächsten See. Vorbei an Ferienparks, Campingplätzen, Fischrestaurants und an einer Tankstelle. Tanken, ein guter Hinweis. Unser erster Versuch in die Tankstelle einzufahren scheiterte aufgrund der zu späten Überlegung, wie bekommen wir den 15,5 m langen Kahn im rechten Winkel in die Einfahrt, wenn der Kanal nicht den für uns benötigten Abbiegewinkel bot? Kurz probiert, manövriert, für unmöglich befunden, weise entschieden geradeaus weiterzufahren, im nächsten See ein flottes Wendemanöver hinzulegen, mit festem Willen und gut durchdachtem Plan an diese Stelle zurückzukehren.

Der Plan ging auf. Wir pirschten uns sportlich an die Einfahrt, unbeeindruckt der Zuschauer, die gegen eine kollisionsfreie Einfahrt wetteten. Guter rechter Bogen, sanft eingeschlagen, damit die restlichen 16,5 sich beim Drehen nicht im Holzzaun verhedderten, vorn und hinten ein wenig gedrückt, geschoben, gezogen und gebetet und et voila, wir sind drin! Applaus von den auf der Terrasse sitzenden Prosecco trinkenden Damen und ein anerkennendes Nicken diverser Schiffsschrauber im Hafen. „Genau so!“

Gut, nun waren wir in diesem Minihafen doch geschafft war noch lange nix. Zwischen all diesen Booten, Yachten und störenden Holzpfählen mitten im Wasser mußten wir nun die 18,5 m auf der Stelle wenden und zwischen zwei bereits an der Tankstelle liegenden Boote seitwärts einparken. Die Mädels mit den Proseccogläsern motivierten mit Gekreische, Applaus und den besten Wünschen. Es gab kein Verstecken, Entkommen oder Wegwünschen. Unter Beobachtung des gesamten Hafens mussten wir nun in die Parklücke, von der wir nicht einmal wußten, ob wir überhaupt da reinpaßten. Augen zu und nach Gehör fahren war bedauerlicher Weise keine Lösung. Also haben wir alle Sinne, Kräfte und kreative Ideen zusammen genommen und uns –jetzt kann ich es ja sagen- wie aus dem Lehrbuch vor die Zapfsäule manövriert. Eine kleine Unterstützung bekamen wir von einem Kapitän, dessen Boot bereits dort lag und wegen dem wir dieses Wendemanöver überhaupt erst fahren mußten. Aber hey, auch wenn es keiner von uns vieren für möglich gehalten hätte, wir waren drin!!!!! Und bekamen wieder Applaus von den inzwischen angebrüteten Damen und wohlwollendes Kopfnicken von den Herren. Geschafft! Jetzt tanken, aber dafür gab es ja den gut gelaunten Mann im royalblauen Overall.

So, wie weiter? Was rein ging muss ja auch wieder raus können. Kleine Tipps vom Kapitän des Nachbarschiffes sollten uns Sicherheit geben, dass wir das Ausparken und die Ausfahrt ebenso kollisionsfrei hinbekommen können. Erneut tosender Applaus der Ladies auf der Terrasse und langsames Kopfnicken der Seemänner spornte uns zu Höchstleistungen an. Leinen los, kräftig vom Rand weggestoßen und mit fast geräuschlosem Motor schlichen wir der Ausfahrt entgegen, mit der unendlich großen Hoffnung, die perfekte Kurve zu drehen, ohne mit dem Heck im Zaun hängenzubleiben oder mit dem Bug vorn im Ufersand zu stecken. Fehlerfrei schipperte uns unsere Kapitänin die 22,5 m lange Schrankwand in den Kanal. Ein Hoch auf Augenmaß und ihre gnadenlose Ruhe.

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Jaaaaaa, schon doof, wenn der Kanal gefühlte 2 m breit ist, das eigene Boot aber 4,50 m misst und auf dem Gegenverkehr ein stolzes Fähnchen mit dem Schrift „Weiße Flotte“ im Wind flattert. Leute, glaubt mir wenn ich sage, da flattert nicht nur das Fähnchen auf dem entgegenkommenden Ausflugsdampfer.

Rechts oder links? Steuerboard, nein Backboard. Hä, Achtern? Vorn mehr rechts und hinten mehr entgegengesetzt? Wie jetzt? Quer im Kanal zu treiben ist keine Option? Warum steuert das Boot da vorn eigentlich direkt auf uns zu? Und kann man in Schilfinseln eigentlich auf Grund laufen? Du mußt rum, rum, ruuuuuuuuuuuuuummmmm! Jetzt wäre „rum“ eine gute Gelegenheit nicht mit dem Pfosten da vorn unschön zu kollidieren. Rum? Ja, durchaus, manche Situationen sollte man sich definitiv Schöntrinken. Na dann, also, Rum für alle!

Nach unzählig vielen Kilometern in Kanälen, auf großen und kleinen Seen der Mecklenburgischen Seenplatte, nach vielen selbst gesungenen Lobesliedern und getanzten rhythmischen Hüftbewegungen als Anerkennung für perfektes Brückendurchqueren, smartes Ausweichen, gekonntes Ankern und perfektes Anlegen machten wir in der Marina unsere windschnittige Eiche-Rustikal-Schrankwand am Außensteg mit einer schön gebundenen Doppelschleife fest und fingen an uns endlich zu entspannen.

Der Hafenmeister, gleichzeitig Kioskbesitzer, Geldeintreiber von Parkgebühren, Kneipier und vermutlich Sugardaddy von „Mäusgen“, empfing uns herzlich mit weit geöffneten Armen und kleinen Feiglingen. „Und wenn ihr duschen wollt, 2322.“ Vermutlich zusammen mit ihm und „Mäusgen“.

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Uniform, oder sagen wir ehrlicher Weise … dunkelblauer Kapuzenpullover mit der sinnvollen Aufschrift „Aus dem Weg, ich bin Kapitän“: sitzt
Mut: 40% selbst aufgebracht, 50% geliehen, 10% Panik würde ich mir gern für ausweglose Situationen vorbehalten
Schifffahrtszeichen: stehen in der handlichen Bordmappe und könnten bei Bedarf jederzeit nachgelesen werden
Seemannsknoten: werden überbewertet, Festmachen kriegt man auch mit einer schön gebundenen Doppelschleife hin
Zielgebiet: die Mecklenburgische Kleinseenplatte
Route: wir haben eine ambitionierten Plan

Also…. Leinen los!
Steuerrad bis zum gnadenlosen Ende eingeschlagen!
Laut zum Abschied das Schiffshorn angeworfen!
Rein in die vom Sturm gepeitschten Wellen des Zierker Sees.
Du, sag noch mal schnell, wo war gleich noch mal der Rückwärtsgang?

Den ersten Fender -für Nichtseeläute: das sind die zäpfchenartigen Dinger, die zwischen Boot und Wänden, Stegen, Pollern etc. gesteckt werden, um bei Kollision das Boot nicht zu ruinieren- haben wir noch vor der Abfahrt zerlegt. Was wa ham, ham wa, oda?

Na dann, Mut zur Lücke und noch einmal:
Leinen los!
Steuerrad bis zum gnadenlosen Ende eingeschlagen!
Laut zum Abschied das Schiffshorn angeworfen!
Rein in die vom Sturm gepeitschten Wellen des Zierker Sees.

Unser Boot hatte noch eine entscheidende Vorsilbe, nämlich „Haus“. Und das bedeutet, wir schippern mit einer Eiche-Rustikal-Schrankwand, einem riesigen Block, einem rechteckigen 13,5 m langen und 4,50 m breiten Holzkasten, der so windschnittig ist wie ein Mehrfamilienhaus im Luftkanal.

Vor uns liegen nun enge Kanäle mit Gegenverkehr, schwer zu erreichende Tankstellen, große und kleine Bootsanlegestellen, Strömungen, Untiefen, unbekannt Wasserzeichen, jede Menge Schilf, Schleusen, weitere entgegenkommende Hausboote -ebenfalls gesteuert von Touristen- allerlei schwimmendes Getier und jede Menge keine Ahnung. Abenteuerurlaub mit dem Potential einen Erholungsurlaub dranhängen zu müssen.

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Ich bin sicher, der ein oder andere hat sich schon einmal gefragt, ob die gute alte Eichenschrankwand aus längst vergangenen Tagen schwimmen kann und wie sie sich wohl auf offener See bei Wind und Wetter manövrieren läßt. Der erste Teil der Frage ist schnell beantwortet: Ja, sie schwimmt. Und was den zweiten Teil angeht, so möchte ich festhalten, das Word „windschnittig“ sollte man niemals im gleichen Satz mit der oben erwähnten Schrankwand nennen.

Ja, unser Hausboot der neuesten Generation hatte schon sehr viel Schönes. Ein auf Hochglanz poliertes Steuerrad umringt von zahlreichen Knöpfen, Schaltern, Anzeigen und Leuchten, ein gut hörbares Schiffshorn, einen 4 Takt Yamaha 50 PS Motor, ein helfendes Bugstrahlruder und -Danke Gott dafür- eine Rückfahrkamera.

Auch an der Ausstattung gab es nichts zu meckern: Es gab ein -von uns leider selten besuchtes- fantastisches Sonnendeck mit Mobiliar, eine Badeplattform mit vollverchromter Leiter, ein voll eingerichtetes Bad, eine Küche mit allem was das Herz eines Profikochs so begehrt, zwei Schlafzimmer und einen Wohnbereich, von dem man wunderbare Sicht auf den Kapitän, seine rasanten Fahrmanöver und die Mecklenburgische Kleinseenplatte hatte.

Es fehlte uns an nichts, außer an nautischen Kenntnissen, Grundregeln des Schiffsverkehrs und an einer strahlend weißen Uniform mit Sternchen auf den Schultern.