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Die Situation: Sechs Elitestudenten einer hiesigen Universität fahren in ihren Sommerferien in eine einsame Blockhütte mitten in den Bergen. Abseits von jeglicher Zivilisation, Beautysalons und Handyempfang. Auf dem Weg dorthin durchqueren sie durch Wälder, fahren vorbei an verlassenen Ortschaften mit zerfallenen Häusern, rostigen Autowracks und stillgelegten Tankstellen. Chantal, das Mädchen mit den langen blonde Haaren, der perfekten Figur und der von ihrem Vater neu modellierten Nase, möchte einen Kaugummi und schlägt vor, bei der nächsten Gelegenheit anzuhalten. Die sechs Studenten singen, tanzen, diskutieren und stimmen dagegen. Der linke Autoreifen platzt. “Ob Chantal damit was zu tun hat”, fragt sich Kevin als er versuchte, den Jeep Wrangler seines Vaters auf der unbefestigten Straße zu halten. Nun blieb ihnen keine Wahl, und Chantal war ihren Kaugummis ein Stück näher. — Dort vorn war ein Haus. Davor ein quietschendes Hängeschild mit der Aufschrift “Out of Gas” und “Hier keine Kaugummis”. Es war verfallen und wenig einladend. Du ahnst, was jetzt kommt, und rufst: “Nein, haltet nicht an, fahrt weiter. Ich kenne solche Filme, dieser Ort ist nicht gut für eure Gesundheit.” Doch Chantal und die anderen 5 jungen Wilden können dich nicht hören. – Die Türglocke schellt als sie den staubigen Laden betritt. Im Hinterzimmer leise Geräusche eine zirpenden Glühbirne. Zwei tote Fliegen in einem vollen Milchglas. Während dessen schauen sich die anderen draußen um. Zerlegte Autos, ein totes Kaninchen, alte Autoreifen, leere Benzinkanister, ein rosafarbenes Tagebuch einer Studentin aus der Nachbarschaft. Aus der Ferne Hundegebell. Du wiederholst deine Sorge: “Leute, steigt ins Auto, macht die Türen zu und fahrt weiter. Hier wird es gleich ein furchtbares Gemetzel geben und Chantal wird sich mindestens zwei Fingernägel abbrechen wenn nicht sogar den ganzen Arm verlieren.” Keiner kann Dich hören.

In der nächsten Einstellung kannst du durch die drei Augen des Schlächters von Ville Valle sehen. Du hörst ihn schwer atmen und sein Sabber tropft auf seine blutverschmierte Gummischürze, die über seinen dicken, haarigen Bauch hängt. Sein rechtes Bein zieht er nach, ein unschöner Zwischenfall mit der Kettensäge. Seine Nägel sind ungepflegt und der Atem schlecht. Zähne und Haare hat er keine mehr, die radioaktiven Brennstäbe aus dem Schuppen könnten die Ursache dafür sein. Aber vielleicht war es auch altersbedingt. Egal. Wie die Geschichte ausgeht weist du. Nur so viel: Chantal wird ihre Kaugummis nicht bekommen.

Ja, auch wir sind heute an solchen Orten vorbeigefahren und … Alarm! Alarm! Alarm! … haben angehalten. Ein gutes Foto ist es immer wert, Risiken auf sich zu nehmen. – Als ich aus dem Wagen stieg, hörte ich mich leise sagen: Steig nicht aus und fahr weiter. Aber Mut ist immer einen Schritt nach vorn zu gehen, auch wenn man das Gefühl hat, den schlechten Atem des Schlächters von Ville Valle im Nacken zu spüren, vermutet, gleich einen Spaten auf den Kopf zu bekommen und an den Beinen in das nächste Erdloch gezerrt zu werden. Nein, nicht ängstlich aber Dank der zahlreichen Lehrfilme immer achtsam auf eine sich plötzlich öffnende Bodenluke, hab ich ein paar coole Fotos geschossen.

gefahrene Kilometer: 730
Route: Palm Springs, alte Route 66 über Kingman, Hackberry und Seligman nach Tusayan, Grand Canyon

Wetter: Palm Springs: 23 Grad, Sonne — Tusayan: -7 Grad, Schnee