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Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder hat sich das paar den Discofox selbst von einem Amateurvideo beigebracht oder sie hatten einen Tanzlehrer mit ausgeprägtem Hang zu überdimensionierten Bewegungen, die riesiges Potential zum Fremdschämen hatte. Wahrscheinlich sah er damals nur sein Money, Money, Money. Die Dame tanzte, als gäbe es kein Morgen. Ihr super Trouper-Hüftschwung ließ das Schiff hilflos von Backbord nach Steuerbord schaukeln. Wäre das Lied nur wenige Sekunden länger gewesen, hätte sicher die Sirene ein melodisches S.O.S. gespielt, dass die Reisenden zum entspannten Einstieg in die Rettungsboote aufgefordert hätte. Zusammen mit Kai-Uwe wären Olli und ich im Boot mit dem bekannten Namen Panama in den Sonnenuntergang gepaddelt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mamma Mia! von rechts nach links, und von links nach rechts. Ja, sie wurde im Laufe des Abends unsere Dancing Queen. Zusammen mit schicke Dieter und Fernando am Keyboard brachten sie den Kutter zum Bersten.
Voulez-vouz hauchte sie ins Ohr des schicken Dieters und ich war nicht scharf drauf, den restlichen Satz zu hören. Also one of us musste gehen. Ich sagte thank you for the music und verschwand mit einer Flasche Waterloo sparkling im Dunkel der sternenklaren Nacht.
Schalali und Schalala
Monika
Und rechts und links, und links, nach rechts. Und stretchen, noch 3, noch 2 und Arme hoch, und seitwärts und Ausfallschritt. Hands up, turn around, and step and step, lets jump and cry. Das Ganze noch in italienischer Sprache: Spaghetti Napoli, o sole mio, Mamma Mia. Und für unsere französischen Gäste in der Sprache der Lliebe: Remi Martin, bon voyage, Coco Chanel.
Ja, auf dem Schiff mit internationalen Gästen wird alles eben 4 x erklärt. Wer aufmerksam zuhört und schön lernt, kann nach diesen 3 Wochen einen Aerobic-Kurs komplett auf Italienisch halten.
Nun aber zum Thema dieses Beitrages:
es gibt drei Gruppen mit jeweils unterschiedlicher Entertainment-Schmerzgrenze.
Gruppe 1: In Gruppe 1 befinden sich die Leute, die sich das Tagesprogramm morgens sorgfältig ausschneiden, danach ihren Tag terminieren und alles mitnehmen, was geht. Vom Puzzlevormittag über dekoratives Blütenbasteln aus leeren Plastikflaschen zur Mittagszeit bis hin zum Abendvortrag „Ich und mein Sein zur Jahrhundertwende“. Es wird kein einziger Programmpunkt ausgelassen. Wenn es um Ringe werfen, Bälle kullern oder rhythmische Sportgymnastik geht, sind sie stets in der ersten Reihe zu finden. Selbst Karaoke lässt andere mehr zittern als sie selbst.
Und dann gibt es die zweite Gruppe: Sie schauen zunächst weg, dann zu, um sich wenige Minuten später unter tobendem Applaus zum Mitmachen überreden zu lassen. Diese Leute sind meist Bewegungslegasteniker aber es ist ausgesprochen unterhaltsam, ihnen zuzuschauen.
Und dann gibt es die dritte Gruppe. Die Totalverweigerer. Leute wie ich. Sie täuschen 2 linke Füße, verkürzte arme, dicke Mandeln :-)) und ein buntes Potpourri an hochgradig ansteckenden und bisher nicht erforschten Krankheiten vor. Wenn das alles nicht funktioniert, hilft es immer noch, unerwartet einen kurzen und heftigen Streit vom Zaun zu brechen. „Wag dich mit dem kleinen blonden Flittchen Salsa zu tanzen und später wohl noch mit ihr in einer Polonaise übers Deck zu ziehen! Wenn du jetzt aufstehst, fliegen deine Sachen ins Meer und du kannst sofort in Blondies 2,5 qm große Innenkabine neben dem Maschinenraum mit komfortabler Gemeinschaftsdusche einziehen!“ In der Regel ziehen sich die Gutelaunemacher dann schnell still und leise zurück und wagen es auch kein zweites Mal uns zum Mitspielen aufzufordern. Man muss natürlich mehrere Varianten im Repertoire haben. Aber hey, ich habe ja ausreichend Zeit zur kreativen Ideenentwicklung.
Ich würde vermuten, ich stand bereits am 2ten Tag auf der Backlist des Animationsteams. Inzwischen grüßt man mich zwar sehr freundlich aber riskiert keine erneute Ansprache. Uns umgibt nur noch Ruhe – unendliche Ruhe, Ruhe wohin das Ohr hören kann.
Nachdem Olli ja gesundheitlich auf dieser Reise nicht den Joker gezogen hat – ich fasse gern noch einmal übersichtlich zusammen: verdrehter Fuß, bilderbuchhafte dicke Mandeln, ein kleiner Kreislaufabsturz in der senegalesischen Wüste und eine Aufschlagstelle eines Sonnenschirms an seinem Kopf – wurde es Zeit für einen Plan B. Ich brauchte eine Krankenschwester in unserer Nähe. Nicht nur um die Arztkosten zu senken, sondern um auch mal schnell ne Frage stellen zu können: Was tun bei Nackenschmerzen, ausgerenkten Rückenwirbeln, Wundliegen oder schlechter Musik im Poolbereich?
So eine mit kurzem, weißen Kleidchen, langem wallenden, naturgelockten, blonden Haar, Steichholzbeinchen und Modelmaßen sollte es keinesfalls sein. Ich dachte da eher an was handfestes, bodenständiges, unueberhör- und sehbares. Also fünf Konfektionsgröße 0 tragende Krankenschwestern in einer.
Mein Blick schweifte umher und scannte jeden der auf Deck 12 rumlungernden Gäste. Wer von diesen Sonnenanbeterinnen könnte eine Ärztin sein oder wenigstens eine Krankenschwester? Tierärztin? Oder meinetwegen auch ein Samariter. Eine Ärzteromanleserin kam von vorn herein nicht in Frage. Die Damen, die in der Mittagssonne brutzeln und schon leicht nach Schmorbraten rochen, schloss ich ebenfalls aus.
Also mal schnell durch den Schatten geschaut. Aahhh, wie wäre eine Bekanntschaft mit diesen beiden Ladies. Sie erfüllten optisch die Anforderungen, hatten immer einen besorgten Blick wenn Gäste ab 75 Jahren an ihnen vorbeischlichen und beobachteten sorgfältig die Sonnenliegen, immer auf den Sprung, in sekundenschnelle erste Hilfe zu leisten. Ja, da waren sie also – mein lokalisierter medizinischer Notfalldienst. Ein annäherndes „Hallo, darf ich mir mal ihr Salz ausleihen und sagen sie, sind sie zufällig in der medizinischen Branche tätige“ war der Beginn eines lustigen Nachmittags. Ein Jackpot! 2 Krankenschwestern aus München. Ihr Gebiet Gefäßchirurgie, Amputationen, und so. Ich will da mal nicht so wählerisch sein. Sicher kannten sie sich auch mit Allgemeinmedizin aus. Sie schienen jedenfalls ihren vollständig gefüllten Erste-Hilfe-Koffer direkt unter dem Kopfkissen bereitzuhalten. Iich vermute sogar stark, dass sie auch einen Defibrillator im Gepäck haben.
Geschafft. Olli war nun in Sicherheit und würde im erneuten Krankheitsfall erstklassig ärztlich versorgt werden. Und ich kann mich nun wieder entspannt dem Rumliegen hingeben.
Heute haben wir war total verrücktes getan! Wir haben spontan unseren Lemmingstatus abgeschüttelt und rebellisch das Buffet von hin nach vorn, – ich wiederhole: rückwärts! – durchpflügt. Tomaten schmecken doppelt so gut, wenn man sie nach dem in reichlich Ahornsirup ertränkten Pancake auf den Teller legtt. Irritation nicht nur bei den Reisenden, auch die Köche und das geschulte Servicepersonal geriet an seine Grenzen. Verwirrung wohin man sah. Die Weltordnung schien auseinanderzubrechen. Ich vermute, unsere Ttat wurde einer Meuterei gleichgesetzt. Um Senior Rossi machten wir uns tatsächlich ernsthafte Sorgen, denn er schnappte in einer schattigen Ecke nach Luft und kühlte seinen Puls in einem Eiswürfelbehälter.
Also, was machen wir als nächstes?
Hmmm. Ich weiß. Wir vertauschen die Handtücher auf den reservierten Sonnenliegen. Vielleicht gibt’s da ja lustiges Paare tauschen und der ein oder andere will gar nicht mehr zurück an den heimischen Küchentisch. Vielleicht erweitern wir die Synapsen der Mitfahrer auch, indem wir nachher ein Schild vor dem Kaffeeautomaten hängen. „Automat synchronisiert sich gerade mit dem Universum. Bitte bewahren sie Ruhe und kontaktieren sie für nähere Informationen gern ihren Systemadministrator.“ Wir könnten aber auch Nachrichten unter den Zimmertüren durchschieben. „Ich weiß wieviel Kalorien gestern dein Sahneschnittchen hatte und wo sich dein Ehemann gerade aufhält“. Ja, schier endlose Möglichkeiten.
Aber vielleicht überlassen wir das Entertainment doch lieber den Profis vom Kompetenzteam. Denn die haben sich heute alle schön bunt angemalt für ne riesige Neptunsause. Ne südliche Hemisphaerenparty. Äquatortaufe mit allerlei Kawum. Jja wie erwähnt, man kann nicht mal in Ruhe Urlaub machen, irgendwer stört immer mit irgendwas.
Wie langsam doch der Tag vergeht und wie schnell ist nix getan.
Gammelfleisch wohin man schaut.
Ja was soll man auch machen in der kurzen Pause zwischen Mega-Bingo und Reifenwerfen? Da reicht die Zeit grad für ne Pinkelpause mit schnellem Händewaschen. Verpassen will man die Attraktionen ja auch nicht. Das ist immerhin Stoff für das informative Tischgespräch am Abend. Ich hab überlegt, einfach die Videoaufzeichnung meines Handys zu starten um Geschehnisse während meiner Abwesenheit lückenlos aufzuzeichnen.
Ja, da liegen sie nun alle rum und lassen sich entertainen. Der ein oder die andere schaut ein wenig aus wie Gammelfleisch. Einige wenden ihre in die Jahre gekommenen Körper sekundengenau und drehen sich exakt mit dem Stand der Sonne. Andere walken sich nen Wolf in der Hitze und belohnen sich anschließend mit nem lecker Cremetörtchen. Ich gehöre zur dritten Gruppe – die heimlichen Nichtstuer und Beobachter. Ich tun so als würden wir tief und fest schlafen und beobachten durch die minimalen Augenschlitze das elustere Völkchen und verliere dabei auch den gutaussehenden Pool Attendant nicht aus den Augen.
Nun, bis hierher war der Tag schon ansträngend genug. Ich werde jetzt mal ein wenig abgammeln und ein Vormittagsschläfchen machen. Schließlich muss ich zum Marzipanblütenkneten, Ball in den Ring rollen und Erkenne die Melodie am Nachmittag wieder fit sein.
Wieder ein Tag vollgepackt mit Nichtstun. Ich habe mir überlegt, eine Exceltabelle zu basteln in der ich Windstärke, die Fahrgeschwindigkeit des Schiffs, den Freundlichkeitsgrad von Senior Rossi unserem Tischkellner -dazu komme ich aber später noch einmal detailliert- und die Speisekarte des Vortages akribisch erfasse, in Bezug zueinander setze und daraus die durchschnittliche Milchproduktion einer Bergziege in den Pyrenäen errechne. Eine Herausforderung, ich weiß. Und irgendwo gibt’s da auch noch einen Formelfehler in meiner Gleichung. Ich arbeite daran.
Aber noch viel cooler ist, um 11 Uhr heute Vormittag haben wir den Äquator überquert. Foto des aufregenden Moments anbei (der Äquator ist deutlich als dunkler strich rechts im Bild zu erkennen). Ich hab kurzzeitig überlegt, das ein oder andere bekannte Ritual durchzuführen. Olli überzeugte mich davon, es unter Rücksichtnahme der Mitreisenden besser zu lassen. Na egal. Von jetzt an wird sich das Wasser im Waschbecken links herum drehen – ich bin gespannt. 🙂
Nun aber zu Senior Rossi, unserem Tischkellner. Wer Senior Rossi aus dem legendären Zeichentrickfilm kennt, ist jetzt klar im Vorteil. So sieht er aus, unser Kellner. Genau so. Ferngesteuert und nach stehen gelassenem Geschirr Ausschau haltend, manövriert er sich träge und in kaum messbarer Geschwindigkeit durch die Menschenmenge. Manchmal denken wir, seine Augen sind gar nicht geöffnet und er nutzt Radar zur Orientierung. Motiviert schlurft er an den Tischen vorbei, Vermutlich immer mit dem Gedanken, es könnte heute sein letzter Teller sein, den er in die Küche trägt. Na ehrlich gesagt besteht auch reichlich Grund zu dieser Annahme, denn Senior Rossi hat sicher auch schon auf der Titanic gekellnert. Aber, und das muss noch unbedingt erwähnt sein, seinem italienischen Charme erliegen Frauen ab 65 reihenweise. So ein Womanizer und wie reizend er das auch bei jeder einzelnen Dame hinbekommt! Ich verrat euch mal seine Taktik, probiert es einfach aus: Beim Begrüßen das üppige Dekolletee fest fixieren und während des sinnfreien Gesprächs keinesfalls aus den Augen verlieren. Nach Verabschiedung noch einen hochkonzentrierten Blick auf den ausladenden Hintern der Gesprächspartnerin werfen und anschließend wieder in den Standby-Modus fallen. Ein Charmeur der alten Schule, unser Senior Rossi.
Nachtrag:
Ollis Fuß ist fast wieder in Ordnung, nun sind es die Mandeln. und weil Olli das noch nicht Aufmerksamkeit genug ist, flog ihm noch ein Sonnenschirm an den Kopf. Irgendwas ist ja immer.
Na, wer von euch wünscht sich denn gern ein kleines Urlaubsmitbringsel? Vielleicht ein T-Shirt vom Hard Rock Cafe Valletta oder ein Schlüsselanhänger mit einem lustigen Delphin aus Mallorca? Wie wäre es mit einem Goldkettchen aus Marokko? Oder eine dekorative Holzmaske aus dem Senegal? Nun, ich denke, es ist an der Zeit, euch mal schnell unsere Urlaubsmitbringsel der einzelnen Häfen zusammenzufassen – sucht euch was aus!
Aus Venedig, Italien: einen Klumpfuß in den Farben gelb, blau, grün und dunkelschwarz. Hat sich Olli eingefangen. Brachte ihm den Namen Hinkeolli ein.
Aus Valletta, Malta: zwei Mückenstiche. die Mücken, das muss man ehrlicher weise zugeben, hingen nicht mehr an der Zapfstelle. Wir sorgen vor Ort für ein unvergessliches und herzzerreißendes Begräbnis.
Aus Mallorca, deutsche Kolonie:
Kai-Uwe, der lustige Geselle, der noch immer von Kuchenkrümeln und Sahnetörtchen den Schnabel nicht voll genug kriegen kann.
Und weil so winzig, fast vergessen, Shantall-Louisa unsere 3 Nanometer große Badezimmerspinne. Sie bewegt sich mit homöopathischer Schnelligkeit von der rechten in die linke Ecke der 2 qm großen Nasszelle. Ich fürchte, wenn wir sie nicht bald mit Lleckerein versorgen, wird sie zeitnah geschwächt ihre kleinen Beinchen strecken und von der Decke fallen.
Aus Casablanca, Marokko:
Ja, was sind das eigentlich für possierliche Tierchen? Grillen? Ja, tatsächlich. das könnte eine Grillenart sein. Über diese kleine kulinarische Abwechslung, die sich auf Deck 12 in der Sonne tummelt und quasi vorröstet, dürfte sich sicher Kai-Uwe außerordentlich freuen.
Aus Agadir, Marokko: riesige Heuschrecken. unansehnlich aber wahrscheinlich voller Proteine und Eiweiß. Von daher stellt sich mir die Frage, ob die Hundertschaften einfach einen lustigen Betriebsausflug machen und deshalb an Bord gelandet sind oder ob sie den Koch erledigt haben und erfolgreich aus dem Küchentopf flüchten konnten.
Aus Dakar, Senegal: Ameisen mit Flügeln dran oder Fliegen mit zu vielen Beinchen. Vermutlich eine genmanipulierte Zwischenlösung. Ich möchte tatsächlich von einer Invasion sprechen. Sie huschen überall rum und eh du dich versiehst, quetschen sie sich in die Kopfhöreröffnung des iPhone und steuern das gerät fern. Schwups, mal eben 100 Mails versand oder schnell Oma angerufen. Ihre kleinen zerquetschten Körper liegen inzwischen in Scharen über das gesamte Schiff verteilt.
Hmmm, könnte lecker Futter für die Grillen sein oder den eintönigen Speiseplan der Heuschrecken erweitern. Ich bin unsicher.
Schade. während der nun folgenden 6 Seetage wird es vermutlich keine neue Spezies schaffen, sich unbemerkt an Bord zu schmuggeln und für die Fortführung von Kai-Uwes Nahrungskette sorgen. Essen liegt für den kleinen Kerl ja inzwischen überall rum. Grund zur Klage sollten es also nicht geben.
Schöne Grüße ausm Zoo.