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All posts for the day November 6th, 2012

Aaahhhhh ja. Ein Vogel ist also auf dem Schiff. Ein bunter winziger Vogel. Und er flatterte einfach so bei den Rettungsboten rum. Auf hoher See, mitten im der Nacht. Mmmhhh, soso. – Vielleicht gab sich Olli zu sehr dem Gesang der Sirenen hin, der offensichtlich nach jedem Glas Bier lauter wurde.

Und dann, heute Mittag sah ich auch, ganz ohne Bier und Sirenengesang. ein kleines fliegendes Federknäul. Es hüpfte auf dem Boden verwirrt hin und her und war offensichtlich auf der Suche nach lecker Krümel von den bunten, kalorienreichen Törtchen. Also, was bewog nun diesen kleinen Vogel in die weite Welt hinauszuziehen oder war es doch bloß ein schwerer Schicksalsschlag? Ich spekuliere mal:

Kai-Uwe, so nenn ich das kleine Federvieh jetzt mal spontan, also … Kai-Uwe war allein zu Haus. Nestarrest, weil er heimlich ne Party mit willigen Hühnern gefeiert und anschließend die Bude vollgekotzt hatte. es gab also Ärger im heimischen Designernest. Da beschloss Kai-Uwe abzuhauen. Er flog los, ohne Navi und Orientierung, setzte sich nach langer Reise erschöpft in ein orangefarbenes Rettungsboot mit dem Namen „Panama“, das vor einem Kabinenfenster auf Deck 6 baumelte und schlief ein. Er träumte von der großen weiten Welt und der Möwe Jonathan, die so viel kluge Sprüche in ihrem spitzen Schnabel trug. Nun denn, Kai-Uwe wachte irgendwann mitten in der Nacht vom Gesang der Sirenen oder von dem auf Deck 6 rumpolternden Olli auf und geriet in Panik. Er flatterte mit seinen kleinen Flügelchen hektisch auf und ab und musste nach 3 Stunden selbstgemachten Stress erkennen, dass er nun blinder Passagier auf einem Kreuzfahrtschiff, das sich auf direktem Weg nach Marokko befindet, war. Klar, es gibt sicher schlimmeres, Karaoke mit rüstigen Rentnern zum Beispiel, aber für Kai-Uwe war dies der schlimmste Augenblick – der ungefähr 1,3 Sek. andauerte. – Kurz die Situation analysiert, eine kleine Excel mit Pro’s und Contra’s geschrieben und schon hüpfte Kai-Uwe munter zwischen den Reisenden umher und bettelte nach Krümel. Ich schau heut Abend mal, ob ich n bisschen Hühnchenfleisch vom Buffet ins Zimmer schmuggeln kann. Daraus kann ich sicher einen kleinen lustigen Vogelkörper formen. Ausgeschmückt mit ein paar Federn aus dem Kopfkissen und Vogelgezwitscher aus meinem iPod könnte ich Kai-Uwe sicher eine lustige Gefährtin basteln.

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Olli und ich waren pünktlich um 8 Uhr  die letzten am reichhaltig gefüllten Frühstücksbuffet. Völlig entspannt, friedlich gestimmt stand ich schlaftaumelnd vor dem Kaffeeautomaten und rang mit mir, welches Getränk wohl heute optisch besser zu meinem bunt gemusterten Plastikteller passte. Ungeahnt bahnte sich von Nordnordwest Unheil an. Eine rüstige Rentnerin mit unaufhaltsamem Stechschritt drängte mich mit ihrem knochigen Ellenbogen und ihrem tödlichen 4711-Geruch rücksichtslos in Abseits. Als wäre das nicht schon übel genug gewesen, strafte sie mich mit ihrem stechenden Blick noch einmal ordentlich bevor sie das Wasserloch verließ. Ja, es ist traurig, aber tatsächlich kein Einzelfall. Beobachtungen der letzten Tage haben deutlich gezeigt, dass Futterneid in Verbindung mit hohem Alter ungeahnte Kräfte freisetzt. Und damit sei der Ausspruch bewiesen: je oller, je doller.

Wäre ich nun meinem inneren Drang gefolgt, hätte ich ihr den Krieg erklärt. Sie ebenfalls geschubst, ihr wenigstens an den grauen zottligen Haaren gezogen oder die kleinen dürren Fingerchen verdreht. In diesem Fall wäre ich sicher als rücksichtsloses Miststück in die Kreuzfahrtgeschichte eingegangen und hätte laut Bordmanifest den Rest der Reise im Maschinenraum verbringen oder wenigstens in der Kombüse Kartoffeln schälen müssen. Nun, ich besann mich also eines Besseren, blieb ruhig und schwor gnadenlose Rache. Entkommen konnte sie mir ja nicht. Vielleicht nehme ich ihr morgen einfach das letzte Spiegelei vom Buffet oder schiebe einen Drohbrief unter ihrer Kabinentür durch. Ich könnte auch jeden Tag das „Bitte nicht stören-Schild“ von der Tür stehlen oder noch besser … ich melde sie einfach bei der heutigen Karaoke an. So!