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All posts for the day Januar 2nd, 2017

Die Sonne scheint durch mein Fenster als wollte sie mir sagen „faules Stück, steh auf!“ Jahaaaaaaaaa. Gleiheich. Ein Blick zur Uhr: 5:31. Ist das dein ernst? Du schmeißt mich um 5:31 Uhr aus dem Bett? Noch mal umdrehen und einschlafen gelingt mir nicht. Ich bin wach, im Urlaub, um 5:31 Uhr. Was tun? Ich könnte über zum Stretching mit Dario gehen, nee, zu früh, das ist erst um 8. Ich könnte zahlreiche 150 m-Bahnen auf Deck 11 laufen. Hä? Wer hat das gesagt! Ich könnte darüber nachdenken, warum das maximale Volumen subterraner Agrarprodukte in reziproker Relation zur spirituellen Kapazität des Produzenten steht. Ich bin überfordert. Zu viel Auswahl an Dingen, die man tun könnte. Ich weiß. Heute ist ein Seetag und es ist vor 6. Eine perfekte Zeit um ein schattiges Plätzchen zu finden. Es gibt also keinen Grund zu Trödeln. Rein in die Klamotte und raus aufs Deck.

Nein, ich war nicht die Erste. Es gab weitere Schlafwandler und senil Bettflüchtige mit Handtüchern unter dem Arm, die sich noch den Schlaf aus den Augen reiben.
Mein Plätzchen, auf dem ich heute gern thronen und über die Welt herrschen wollte, war bereits mit einem schwarzen Rucksack markiert. Eine italienische Flagge hing am Reißverschluss. Es war niemand da. Nur das weite Meer, die Sonne, ich, der Rucksack und die heiß umkämpfte Liege unterm Sonnenschirmchen. Nach 15 Minuten Beobachtungszeit beschloss ich, weg mit dem Ding und rauf auf die Liege. Reservieren ist nicht und weit und breit ist niemand zu sehen, dem der Rucksack gehören könnte.

Hach, was für ein wunderbarer Morgen. Ich war im indischen Ozean unterwegs, es war kurz vor 6, die Sonne brutzelte Insekten auf das Holz, die Badelatschen nicht kommen sahen, es war eine himmlische Ruhe, der Schornstein rußte leise vor sich hin und der Italienschlüsselanhänger flatterte lautlos im Wind.

Durch winzig keine Augenschlitze beobachte ich, wie sich eine italienische Diva drei Liegen reserviert und sich häuslich einrichtet. Sie zerrte Tische und Stühle von einer Poolecke in die andere und drapierte ihre Errungenschaften nach Feng Shui. Es fehlte noch ein Vase mit Blumen auf dem bereits mit Magazinen ausgelegten Tisch und ein Bild von Sonnenblumen im Goldrahmen. Dann legte sie ihre Badetücher über die Liegen, stellte ihre Plateauschuhe davor und wart von nun an nicht mehr gesehen.

Und immer noch ist der Morgen so herrlich. 8:45 Uhr (wohl gemerkt fast drei Stunden später), ich höre in nicht unerheblicher Lautstärke die Neue Deutsche Welle und lasse mich von ihr sanft hinweggleiten. Beim goldenen Reiter mischte sich italienisches Rhabarbera in die Melodie. Hä? Was? – Blöd, mein italienisch beschränkt sich auf eine Eisbestellung, ich ich glaube nicht, dass mir der kleine, hüpfende Zwerg mit weißen Haaren auf dem Rücken Schoko und Vanille bringen wollte. Während er so vor sich hin schimpfte, schaute ich ihm dabei zu. Ich konnte zum Gespräch ja nichts produktives beitragen.

Ach, und immer noch ist der Morgen so herrlich.

Inzwischen füllte sich das Deck. Der Kampf ums Überleben am Pool nahm seinen Lauf. Wo steht die Sonne, wohin wird sie wandern, wann wirft der Schatten in welche Richtung. Neben mir hat sich ein alter Seebär platziert. Mit Basecap und einer dunkelblauen Badehose lag er bewegungslos auf seiner Liege im Halbschatten. Sabber läuft in einem keinen Rinnsal aus seinem linken Mundwinkel und tropft auf sein Handtuch. 2, 3 mal war ich der Versuchung nahe, seinen Puls zu fühlen.

Ach, was für ein wunderbarer Morgen.

Ort: Auf dem Weg nach Tamatave, Madagaskar
Wetter: heiß