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All posts for the day Januar 6th, 2017


Paul, ein alter, kleiner chinesischer Mann überzeugte mich mit seiner uneingeschränkten Höflichkeit, mir den Norden Mauritius zeigen zu dürfen. Er war ordentlich gekleidet, dennoch verriet der erste Blick, dass er nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht. Er fährt ein sehr altes rotes Auto. Auf dem Cockpit liegt ein von der Sonne ausgeblichenes schwarzes Deckchen mit ungezählten goldenen Trotteln. Am Rückspiegel hing eine silberne Schildkröte. Die Türinnenverkleidung war nur noch homöopathisch vorhanden und selbst mühsam angebrachte Flicken machten es nicht besser. Eine Klimaanlage war nicht notwendig, 4 offene Fenster sorgen für ausreichend Durchzug. Die Sitze hatten ihre besten Zeiten als Frank Sinatra mit My Way auf der Bühne stand. Seine Brieftasche versteckt er unter der Fußmatte des Beifahrers, schloss den Wagen aber nie ab. Gas, Kupplung, Bremse und Gurt waren funktionstüchtig. Weitestgehend. Unser erster Stopp war an einer Tankstelle. Die Tanknadel stand nun 3 cm über leer.

Paul war 74 Jahre alt, kam aus Singapore und war mit einer Thailänderin verheiratet. Sie haben zusammen zwei Kinder und leben außerhalb von Port Louis. An seinem Haus wachsen Mangos und Litchis, von denen er mir morgen einen Beutel voll mitbringen möchte. Er war in seinen jungen Tagen Seemann, Kampfsportler und spricht sowas um die 10 Sprachen. Englisch ist davon nicht seine beste, aber chinesisch kann ich ja auch nicht.

Mehr Sorgen als der erwartete Sonnenbrand auf meiner linken Schulter bereitete mir der Gedanke, bei unerträglicher Hitze mit einer leeren Wasserflasche zu einer Tankstelle laufen zu müssen. Gnadenlos senkte sich die Nadel cm für cm. Ich hoffte, nein, ich betete für abschüssige Berge oder wenigstens Hügel, die uns in die Stadt zurück rollen ließen. Paul hoffte wohl das gleiche. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er etwas vor sich hin flüsterte und sich danach zweimal bekreuzigte. Erzählte er mir nicht vorhin, er sein Buddhist?

Inzwischen überholen uns Fußgänger und ich glaube auch Kriechtiere an uns vorbeiziehen gesehen zu haben. Aber … nur wer langsam reist, sieht auch was von der Welt.

Verdammt. Jetzt erinnere ich mich, woran ich heute Morgen unbedingt denken wollte. Jaaaaa, die Speicherkarte…. Richtig. Ich wollte unbedingt an eine neue Speicherkarte denken. Das fiel mir genau in der Sekunde ein, als das Display die winzige Leuchtnachricht „Speicherkarte voll“ mir mitten auf die Netzhaut brannte. Mist! Aber neeeeiiiin, kein Grund zu hyperventilieren, ich hatte Paul! Paul war meine Geheimwaffe. Kurz meinen Wunsch geäußert, dreimal die Schuhe an den Hacken zusammengeschlagen und schon standen wir an einer Fleischtheke in einem örtlichen kleinen Supermarkt. Keine 3 Minuten später hielt ich eine niegelnagelneue 8 GB Samsung-Speicherkarte in der Hand. Ich habe gelernt: Fleischtheken werden deutlich unterschätzt.

Ort: Mauritius Nordküste und der Botanische Garten und sonst wo überall
Wetter: 32 Grad