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All posts for the month Juli, 2018

Strand. Weißer Sand. Strahlend blauer Himmel. Langsam versinkt die gelbe Sonne am Horizont. Noch blendet Ihre Strahlkraft meine müden Augen. Seichte Wellen plätschern geschmeidig an den unendlich langen Strand. Ich höre aus der Ferne leise Panflötenklänge. Zwei glückliche und in sich ruhende Menschen mit zwei sportlich trainierten Rennpferden, die mein Kennerauge sofort als Spitzengalopper identifizieren kann, reiten glückselig in den Sonnenuntergang am Beach von Malibu. Ich bin mittendrin, aber nicht mal ansatzweise dabei. Warum steht vor mir auf dem Bildschirm noch 23 Minuten 19 Sekunden??? Und Scheiße! Warum habe ich kein Pferd! Gut, mach das Beste draus, denke ich im Angesicht meines mir in Bächen von Gesicht rinnenden Schweißes. Laufe doch einfach mal den beiden buddhistischen Reitern nach und schau mal, wer Erster an der Tränke ist. Wobei, Obacht! Zu nah darf ich nicht aufschließen, sonst wird mir der hochgezüchtete schwarze Wallach sein Hufe in mein hochrotes Gesicht treten.

Frage: Warum nehm ich denn jetzt nicht das wunderbare weiße Handtuch, reiße mit die Jogginghose vom Leib und hüpfe einfach ins 30 Grad warme Wasser von Malibu?

Einen Augenblick nicht aufgepaßt und den Gedanken nachgehangen und schon sind die Pferde hinter einer Düne verschwunden. Ich dreh durch! Jetzt lauf ich seit eineinhalb km den beiden Kleppern in nicht mehr messbaren Tempo hinter und dann darf ich sie am Ende nicht mal streicheln?

Was zieh ich bloß heute Abend an? Jetzt, wo ich so viel abgenommen habe, passt mir ja nichts mehr.

Nachtrag: Das äußerst unvorteilhafte Badezimmerlicht bringt bedauerlicher Weise eine andere Realität zum Vorschein.

Route: Von Tromso nach Spitzbergen
Wetter: so was von wenig schön

Seilbahn:
Der kluge Tourist kauft sein Ticket für die Seilbahn im Internet vorab und drängelt sich damit rücksichts- und gewissenlos an den 350 wartenden Touristen mit einem breiten Lächeln im Gesicht vorbei. Gut, laut winzigkleingedruckter Bemerkung auf den Tickes hat dieses keinen Vorrang, aber wer von den vielen wartenden Gästen weiß das schon? Und wir wollten ja auch noch auf dem Berg sein, bevor die Schneeschmelze einsetzt, ne?

Polaria:
Hier war es lustig. Die kleinen verspielten Wassertierchen, die im Anfassbecken darauf warten, sich blitzartig um deinen ausgestreckten Finger zu wickeln um dich dann in das seichte Wasser zerren zu können, sind wirklich lustige Gesellen. Hübsch zurechtgemacht, bewegungslos und in Angriffsstellung lungern sie am Beckenrand und warten auf ihre menschliche Beute. Sind diese gefährlichen Räuber des Meeres, Tiere oder Pflanzen? Man weiss es nicht. Egal. Die Verlockung ist riesig, die wabernden Ärmchen der winkenden Weichlebewesen zu berühren und trotz all dem gelerntem Wissen das die Tele Tubbies an ihre Zuschauerschaft vermittelten, und trotz der hochwissenschaftlichen Beiträge aus “Welt der Wunder“ und „Alfred Brehms Tierleben“ tust du es trotzdem. Vorsichtig steckst du den Finger ins Wasser und schwupps, klammern sich ihrer Ärmchen an ihm fest. Haben sie dich erst einmal in ihren Würgegriff, gibt es kein Entrinnen mehr, sie kleben an dir und weil es so lustig ist machst du es mindestens noch 4 bis 8mal.

Robben:
Nachdem wir die Futter und Spielezeit knapp verpasst haben, dümpelten diese fettleibigen Tierchen nun im Wasser glückselig vor sich bin. So viel gab es hier tatsächlich nicht mehr zu sehen. Es war irgendwie wie die Impressionen einer Zugfahrt durch das Voralpenland, die als Bildungsfernsehen irgendwann zwischen 2 und 4 Uhr nachts im Ersten läuft.

Ort: Tromso
Wetter: ganz ansehnlich, 14 Grad

Universalzeitschiene. Ein Begriff den ich heute während unserer Schiffsbegehungstour „Hinter den Kulissen“ gelernt habe und den ich gern für meinen weiteren beruflichen Werdegang nutzen möchte. Die Unwissenden unter Euch mögen denken, der Begriff beschreibt den kürzesten Weg zwischen zwei Wurmlöchern oder die interstellare Verbindung im Raum-Zeit-Kontinuum auf der nördlichen Hemisphäre. Weit gefehlt. Ich als modebewußter Kreuzfahrer und allwissender Weltenbummler möchte gern zur Aufklärung beitragen. Die Universalzeitschiene wohnt im Computer von Massimo, dem Italian Stallion aus dem Entertainmentdepartment der MSC Meraviglia und sie sagt ihm, wann es an der Zeit ist, auf den richtigen Knopf zu drücken. Also wenn ihr mich fragt, das könnte auch Bernhard, der rüstige Rentner aus der linken Nachbarkabine, dessen ältere Frau gern unbekleidet auf dem Balkon nach Walen Ausschau hält.

11:32 Uhr – wir überqueren den nördlichen Polarkreis.

Zwei transsexuelle und vollkommen überschminkte Meerjungfrauen und ein weißgelockter, dickbäuchiger Neptun, mit mehr Nase im Gesicht als die ameisenschnüffelnde Blaue Elise, liefen begleitet von oberkörperfreien Schnittchen und sonstigem Getier über die Promenade von Deck 5. Sie warfen mit Wassertröpfchen bunten Blumenkettchen und tauften das wilde Partyvolk zur Polarkreisüberquerung. YMCA schien mal wohl auch aus dem Meeresgrund zu kennen. 

Ab jetzt geht die Sonne nicht mehr auf und unter. Sie ist quasi immer da. Dunkelheit gibts jetzt nur noch auf der Kabinentoilette, wenn man das Licht vergessen hat anzuschalten.

Wie lange wird es dauern, bis meine Jogginghose begreift, dass sie wohl niemals joggen wird. Das fragte ich mich heute morgen, als ich am Frühstücksbuffet vor den verlockend duftenden Pancakes mit Ahornsirup und Schokoladensauce stand. Ich muss ihr Alternativen bieten, bevor sie sich eines nachts spontan entscheidet mehrere Kleidergrößen einzulaufen, sich eng um meine Oberschenkel schmiegt und man mir die Hose operativ entfernen muss.

Tischtennis:
Die Wartezeit auf die Tischtennisschläger sind enorm. In dieser Zeit schaffte ich es entspannt, 2 Mal zum Kinderbuffet auf Deck 15 zu schlendern und mir diese kleinen, leckeren, rosafarbenen Baisertötchen in die Handfläche zu stapeln. 

Das Tischtennisturnier verlief unplanmäßig. Eigentlich wollte ich den kleinen sechsjährigen blonden Jungen mit dem schlechten Haarschnitt abziehen, der mir beim Kinderbüffet bereits mehrfach unangenehm auffiel. Bedauerlicher Weise stand mir Aaron gegenüber. Ein hochgewachsener zartdünner Endteenager mit schulterlangem flusigem Haar. Wir hatten starke Ballwechsel, begleitet von unbändigem Applaus, doch Aaron entschied sich, mich einfach nicht gewinnen lassen zu wollen. Ich kann dazu nur sagen, man trifft sich immer 2 x im Leben und ich bin sicher, noch 10 Mal hier auf diesem Schiff. Dann werd ich Aaron in einen Gitterwagen einsperren und mit Ping Pong Bällen bewerfen.

Route: von Alesund nach Tromso
Wetter: gab es nicht, grau, neblig, regnerisch

Ich: Wieviel Stufen noch. 371? Whaaaaat?
Ich: Boh, ist das warm.
Ich: Wann sind wir endlich oben?
Ich: Boooooooh, ist das warm. Eigentlich ist es ja sogar heiß. Ganz schön heiß.
Ich: Ich brauch Wasser. Waaaaaaasseeeeeeeer!
Ich: Menno. Wieso ist das so warm. Warum hab ich eigentlich die dicke Winterjacke an?
Ich: Kannst Du meine Jacke in Deinen Rucksack packen?
Ich: Hallllooooo, wieviel Stufen noch?
Ich: Was? 320? Da waren wir doch eben schon.
Ich: Ich brauch ne Pause.
Ich: Boh! Ist das hoch.
Ich: Warum haben wir nicht die Bimmelbahn genommen?
Ich: Hallloooooooooo, wiiieeeeeviiieeeel Stuuuuufen noch?
Ich: Was?
Ich: Hä?
Ich: 260?
Ich: Du lügst!
Ich: Waaaaaaasseeeeerrr!
Ich: Pause! Jehetzt!
Ich: Sach ma, es wird doch immer wärmer hier oben, oder?
Ich: Ich brauch Sonnencreme.
Ich: Stufen?
Ich: Stufen!
Ich: STUUUFEN!!!
Ich: Wieviel STUUUUFFFEEENNNNN noch?
Ich: 136!?!? Das kann nicht sein. Dann stehen falsche Zahlen auf den Treppen!
Ich: Wasssseeeer! Sonnencreme! Hunger!
Ich: Kamera…., kannst Du meine Kamera tragen?
Ich: Kannst Du mein Wasser tragen!
Ich: Wie weit ist es denn noch?
Ich: Kannst Du mich tragen. Biiiiiiiite!
Ich: Wieviel noch?
Ich: Hä?
Ich: Noch 9 Stufen?!
Ich: Kinderspiel. Locker, das schaff ich hüpfend, entspannt und ohne Picknickpause. Und nun hör mal endlich auf zu nölen, sonst fährst Du mit der Seniorenbimmelbahn nach unten!

Ich: Memo an mich: Augen auf bei der Auswahl der Reisebegleitung!

Hinweis: Dieses Aufzeichnung ist ein Gedächtnisprotokoll und kann unter Umständen leichte Spuren von Wahrnehmungsstörungen beinhalten.

Ort: Alesund
Wetter: sonnige 14 Grad, strahlend blauer Himmel

Auf diesem Schiff gibt es eindeutig zwei Klimazonen. Eine vorn und eine hinten. Mit vorn meint der durchschnittliche Kreuzfahrttourist den Bereich, wo ihm der stürmische arktische Wind sein faltendurchfurchtes Gesicht glättet und den Sucher der Kamera so tief in die Augenhöhle implantiert, das dieser operativ entfernt werden muss. Während man sich also vorn vom Schiff botoxfreie Gesichtsstraffungen unterziehen und mit einer kompletten Wintersportausrüstung den peitschenden Wind auf den meterhohen Wellen zuschauen kann, liegt hinten schmunzelnd der gemeine Mallorcaurlauber mit Sonnenschutzfaktor 6 und kurzem Tangahöschen, um sich die drahtigen Beine zu bräunen. Bei sommerlichen Temperaturen und einem lauen Lüftchen dümpelt er friedlich auf seiner Sonnenliege vor sich hin, während sich vorn auf dem Schiff dramatische Szenen abspielen. Die Bordnews berichteten am Abend von einigen Gästeverlusten, die eine kurze unbedeutende Erwähnung fanden. Immerhin wirken sich Verluste positiv auf das Gewühle am Buffet aus. 

Route: Hamburg-Alesund
Wetter: 11 – 14 Grad, sehr, sehr, verdammt windig. Stürmchen.
Nachtrag: Sturm ist erst, wenn die Dauerwelle von Hilde am Nachbartisch keine Locken mehr hat.

Ich frage mich, wie kalt es in Hamburg wohl vor der globalen Erderwärmung gewesen sein muss. Ich denke, es hatte eine durchschnittliche Sommertemperatur von um die drei Grad. Vermutlich schwammen auch Eisschollen mit Pinguinkolonien gemächlich an der Elbphilharmonie vorbei während man sich bei Luigi am Pizzaofen wärmte und mit Fernet Branca die Sommerzeit schön trank. 

Während in Berlin meine Pflanzen auf der Terrasse nach einem schattigen Plätzchen und Wasser winseln und sich das Eichhörnchen bei der Nüssesuche die kleinen Füßchen auf den Bankiraibrettern verbrennt, steht Hamburg kurz vor dem Wintereinbruch. Frisch ist es. Ganz schön frisch. Und grau und kalt ist es auch. 18 Grad, schwere Wolken. Erwähnte ich, dass es grau ist und kalt? Wenn dass die Vorboten auf Norwegen sind, dann gute Nacht Marie. Augen auf bei der Routenwahl. Wie gut dass ich bei der Gepäckauswahl dem Handwärmer den luftigen Sommerkleidchen den Vorzug gegeben habe. Manchmal muss man eben Glück haben.

Mit dem immer wieder gern gehörten und niemals nervenden Welthit „time to say good-bye“ schlichen wir langsam aus dem Hamburger Hafen. So leise und langsam, dass nicht mal ein Trekkingsystem Bewegung feststellen konnte. Die Wolken wurden dunkler, der Nebel dichter. Ein  Detox-Hot-Cinnamon-Chai-Latte wäre definitiv die bessere Wahl zum alkoholfreien Mojito mit 80% Crased Ice gewesen. 

Auf Wiedersehen Hamburg, auf nach Norwegen zu den Elchen und Eisbären.

Ort: Hamburg
Wetter: gruselig und kalt, sehr, sehr kalt.