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All posts for the day Juli 10th, 2018

Würde ich die Übelkeit im Kopf und Magen genießen, wäre ich Achterbahntester in Freizeitparks geworden. Da bereits das Zuschauen der drehenden Bewegungen der Kinderkarussells auf Weihnachtsmärkten und Stadtfesten bei mir erste Übelkeitserscheinungen auslöst, war diese Nacht kein Spaziergang. Wellen, mindestens 3 m hoch und Windstärke 8 aus allen Richtungen ließen mich überlegen, die farbenfrohe Schwimmweste mit Trillerpfeife und modischen Leuchtstreifen an den Seiten aus dem Verschlag von Deck 6 zu holen und mich wartend mit dem nötigsten im Gepäck vor eines der Rettungsbote zu stellen. Ich hatte gelernt „ Der frühe Vogel ist nie zu spät.“ Doch ich bin bei diesem Seegang nicht einmal unbeschadet bis zur Kabinentür gekommen und so entschied ich, mich meinem Schicksal mit einer satten Überdosis an Reisetabletten und -kaugummi zu ergeben und inständig zu hoffen, bei Erwachen nicht in das hungrige Maul einer übellaunigen Tiefseekrake zu schauen.

Mit unterdurchschnittlich niedrigen Erwartungen gingen wir zum hochgepriesenen Musicalabend – und … wir wurden nicht enttäuscht. Versprochen wurde „Best of Musical“ und mir war verdammt klar, was das zu bedeuten hatte. Memmmmmmmmmrieeeeeeeeeees und ein fürchterliches Katzengejammer bei Mondschein sowie weitere Highlights der internationalen Musicalhochkultur.
Das Publikum warf sich in die schillerndste und nicht immer vorteilhafteste Abendgarderobe und applaudierte mir einen Tinnitus ins Ohr. Ich konnte nicht deutlich zuordnen, ob mir vom Zuhören oder vom immer stärker werdenden Seegang übel wurde.
Ich hätte wetten können, das eine Stück war „Die Schöne und das Biest“. Die Melodie kannte ich von einer Glückwunschkarte. Fast wollte ich leise mit summen und Interesse heucheln. Doch der singende Kerzenständer kam die ganze Zeit nicht auf die Bühne und das irritierte mich ein wenig. Am Ende war es dann der „Glöckner von Notre Dame“. Ich war so verdammt nah dran!

Memo an mich: Ich bin viel zu jung für diese musikalischen Darbietungen der italienischen Weltklassetenöre und Hochleistungssophranistinnen.

Trotz Einrechnung der erheblichen Schiffsschwankungen sowie der äußeren Wetterbedingungen und unter Berücksichtigung der aktuellen Erdrotation und Sonnenstand, war es mir bedauerlicher Weise nicht gelungen, den exakten Kurs der leberwurstgrauen Bowlingkugel zu berechnen, um stolz mit einem güldenen Lorbeerkranz den Platz zu verlassen. Aber es gibt ja ein Trostpflaster. Ich wusste, das Kinderbuffet ist nur eine Bowlingbahnlänge von mir entfernt und damit auch diese kleinen leckeren rosafarbenen Baiserkekse in Reichweite.

Strand. Weißer Sand. Strahlend blauer Himmel. Langsam versinkt die gelbe Sonne am Horizont. Noch blendet Ihre Strahlkraft meine müden Augen. Seichte Wellen plätschern geschmeidig an den unendlich langen Strand. Ich höre aus der Ferne leise Panflötenklänge. Zwei glückliche und in sich ruhende Menschen mit zwei sportlich trainierten Rennpferden, die mein Kennerauge sofort als Spitzengalopper identifizieren kann, reiten glückselig in den Sonnenuntergang am Beach von Malibu. Ich bin mittendrin, aber nicht mal ansatzweise dabei. Warum steht vor mir auf dem Bildschirm noch 23 Minuten 19 Sekunden??? Und Scheiße! Warum habe ich kein Pferd! Gut, mach das Beste draus, denke ich im Angesicht meines mir in Bächen von Gesicht rinnenden Schweißes. Laufe doch einfach mal den beiden buddhistischen Reitern nach und schau mal, wer Erster an der Tränke ist. Wobei, Obacht! Zu nah darf ich nicht aufschließen, sonst wird mir der hochgezüchtete schwarze Wallach sein Hufe in mein hochrotes Gesicht treten.

Frage: Warum nehm ich denn jetzt nicht das wunderbare weiße Handtuch, reiße mit die Jogginghose vom Leib und hüpfe einfach ins 30 Grad warme Wasser von Malibu?

Einen Augenblick nicht aufgepaßt und den Gedanken nachgehangen und schon sind die Pferde hinter einer Düne verschwunden. Ich dreh durch! Jetzt lauf ich seit eineinhalb km den beiden Kleppern in nicht mehr messbaren Tempo hinter und dann darf ich sie am Ende nicht mal streicheln?

Was zieh ich bloß heute Abend an? Jetzt, wo ich so viel abgenommen habe, passt mir ja nichts mehr.

Nachtrag: Das äußerst unvorteilhafte Badezimmerlicht bringt bedauerlicher Weise eine andere Realität zum Vorschein.

Route: Von Tromso nach Spitzbergen
Wetter: so was von wenig schön