Archives

All posts for the day Juli 15th, 2018

Es geht weiter. Inzwischen bin ich auf meinem roten Kunstledersitz festgeklebt. Die Franzosen grölen laut lustige Lieder, ich singe leise für die Kroaten vor mich hin. Kroaten vor, noch ein Tor! Das habe ich von den Drittligisten-Spielen gelernt. 

Ich finde die Kroaten-T-Shirts immer noch schöner. Blau war noch nie meine Farbe. 

Was duftet denn hier so lecker. Popcorn! Wo ist der kleine blonde Junge mit dem rosafarbenen Baiserkeks. Der könnte mir jetzt mal schnell eine Familienpackung bringen. Wo ist denn diese kleine Radaubeule?

Was ist denn verdammt noch mal so schwer daran noch ein Tor für die Kroaten zu schießen. Kroaten vor, noch ein Tor! 

Pepsi. Pepsi wäre auch gut. Da läuft gerade eine Tüte Popcorn an mir vorbei. Ich dreh durch. ich bin deutlich unterzuckert und die Kroaten schießen kein Tor. 

Dafür aber die Franzosen. Mist!

Ok, jetzt bin ich raus. Meine Gegenwette ist damit erledigt. 

Das 4:1 ist nicht mehr zu akzeptieren.

Ich hole mir jetzt eine übergroße Tüte Popcorn und ne Pepsi. 

Ich sitze im Sportplex Deck 16. Hier auf dem Fußball- Volleyball-, Handball-, Tennis- und sonstiger Sportarten-Platz schaue ich das Finalspiel Frankreich-Kroatien. Die Franzosen sind hier eindeutig übermächtig und versuchen ihr Team zum Sieg zu grölen. Ich bin umringt von ihnen und werde in den nächsten 90 Minuten meinen persönlichen Französisch-Intensivkurs starten. Ich habe auf Kroatien gesetzt und bin damit der klare Aussenseiter. Oh es gibt noch 2-6 andere, die sich gerade über das Franzosentor fürchterlich ärgern. Es ist ja noch nichts verloren, die Kroaten können noch ihre 2 Tore schießen.

Da kommt ein kleiner Junge mit einem dieser lecker rosafarbenen Baiserkekse. Ich überlege kurz, ihm diesen aus der Hand zu schlagen, danach zu schnappen und auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Schließlich esse ich seit heute nichts mehr, was Spaß macht, da inzwischen auch mein Kleid nicht ausreichend Stretchanteil besitzt sich meinem Körper anzupassen. Statt Pancakes (Mehrzahl) mit Ahornsirup, Spiegelei und lecker frisch gebackenen Brötchen gab es heute ein winzig kleines Omelette mit Tomatenatome, im einstelligen Bereich abgezählten Obststückchen und warmen Frühstücksbrei. 

JAAAAAAAAAA! Ein Tor der Kroaten! Es sind offensichtlich doch mehr Fans da als ich vermutet hatte! Das Schiff bebt. Ich bebe mit. Ich entscheide mich, dem kleinen Jungen nicht den rosaroten Baiserkeks wegzunehmen. Ich bin zu euphorisch über dieses Tor. Tooooooooor!

Mist! Die Franzosen haben wieder einen Ball versenkt. Ich entscheide mich um und werde dem kleinen Jungen nicht nur den Keks aus der Hand reißen, sondern ihn auch gleich verprügeln. 

Die T-Shirts der Kroaten sind viel schöner.

Verdammt! Wo ist denn mein Baiserkeks hin?

Er ist der einzigartige, der wahre, der legendäre Christiooon. 

Mit viel zu schwarz gefärbtem Haar, getuschten Wimpern und deutlich zu viel Make-up verzaubert er nicht nur die Damenwelt der MSC Meraviglia. Wie ein Dompteur steht er in der Manege, umringt von ihm zufliegenden heiß glühenden Herzchen jeden Alters. Er ist da! Christiooon, der Hero der Baumwollepuschel und Seidenraupen! Der Held von Polyester und Synthetikfasern. Phonetisch läßt er sich feiern. Feiern wie ein Rückkehrer aus Armageddon, der Erfinder des Penicillins und der Entdecker der Backstreetboys. Er, der Kolumbus der Handtuchwickelmethode und Serviettenhutfalttechnik. Er, der aus gestärkten Bettlaken zartfliegende Ballkleider zaubern kann. Er, der aus Stofffetzen und Straußenfedern viktorianische Karnevalskostüme knote. Er, der mit Kaugummi und Zahnseide einen ganze Jogginghosenkollektion für Übergewichtige basteln kann und der bei einem Notfall der Erste im Rettungsboot wäre, aber der Bestangezogenste. Ich glaube, ich habe ihn heute morgen über das Wasser laufen sehen. Jetzt steht er vor mir, der Meister des Chiffon und Filz, von Jute und Samt, Damast und Flanell. Christiooon!

Ich bin fasziniert von seiner flinken Händen und seiner Knot-, Binde- Falt- und Stecktechnik. Am Handgelenk ein Nadelkissen, an dem er sich immer wieder verheddert. Vermutlich trägt er dort sonst sein goldenes Armbändchen. 

Mit geübten Griffen und unwiderstehlichem Lächeln knotet er ein muskulöses Modell ein und aus. Es fliegen Federn, Ohrringe, Halsketten. Ellenlange Handschuhe und Hüte wurden an- und ausgezogen. Und der Meister war sichtlich stolz auf all seine Kreationen. Geadelt wurde Christiooons Instant Fashion Show mit einem Brautkleid, dass er aus einer handgeklöppelten Tischdecke mit Lochstickerei und einem Blumenstrauß aus Stoffservietten breitarmig und mit stolzgeschwelter Brust unter den gewaltigen Klängen epischer Musik präsentierte. Christiooon, knote mir einen Bikini!!!

Route: vom Nordkap nach Hellesylt/Geiranger
Wetter: keine Ahnung, war nicht draussen