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All posts for the day Dezember 28th, 2016

Das ist wohl im Allgemeinen eine Frage, die sich die gesamte Menschheit stellt. Heute stand ich vor der Herausforderung zwei meiner offensichtlich verschiedenen Leben zu offenbaren.

Zugegeben, ich höre Stimmen. Sie erzählen mir lustige Geschichten vom ganz normalen Wahnsinn, ich lausche ihnen ein wenig und dann lachen wir zusammen. Bis heute wußte ich allerdings nicht, dass sie offensichtlich auch zu Personen gehören. – Übrigens 9 von 10 Stimmen sagen ich sei irre. Eine summt. Ich glaube aber, das ist mein Tinnitus. Oder ein Chipmunk.

Die russische Fotografin:
Der Skipper, der mich von Mahé nach Moyenne Island shipperte, war der festen Überzeugung ich sei eine russische Fotografin. Er schwor auf die heilige Miesmuschel, dass wir uns sogar kennen würden. Nun, ich kenne weder die heilige Miesmuschel noch den Skipper, was ich aber während der 40minütigen etwas holprigen Überfahrt tatsächlich tat war, die Zahlen von 1 bis 100 in meinem Kopf auf Russisch hoch- und runter zu zählen. Dabei hatte ich weniger die Absicht, meine längst ausgelagerten Sprachkenntnisse zu defragmentieren, sondern mich vielmehr mit etwas sehr Abstrakten von der rasanten Berg- und Talfahrt abzulenken. Ich hätte auch über die Relativitätstheorie nachdenken können oder über die Entstehung von schwarzen Löchern und deren kausalen Zusammenhang mit der Kariesquote bei Vorschulkindern sinnen können, und vermutlich hätte ich auch das Zählen in Kisuaheli oder auf Norwegisch hinbekommen, aber die russische Sprache schien mir in diesem Augenblick doch am vertrautesten. – Schon komisch.

Die Undercover Agentin:
Die F&B-Managerin des Schiffs stand mit mir im Fahrstuhl zum Deck 10. Ich war auf dem Weg zum Abendessen, sie nicht. -In Fahrstühlen herrscht immer eine merkwürdige Situation. Alle starren auf den Boden und schweigen. Aber egal.- Sie sprach mich an und sagte, sie wäre etwas verwirrt (diesen Zustand kenne ich durchaus), denn ich würde aussehen wie eine wichtige Person aus dem Costa-Management. Es ging unter der Crew die Frage rum, ist sie es, oder ist sie es nicht. Aha, das würde die hektischen Blicke erklären, die mir beim Boarding in Port Louis etwas bedenklich vorkamen. -Sehr lustig.

Das heißt, offensichtlich gibt es da draußen noch mehr von mir. Und ich bin der Meinung, wir sollten uns dringend einmal kennenlernen und für ne Woche die Identitäten tauschen.

„Take some nice pictures“, mit diesen Worten hat mich der Junge auf einer Sandbank mitten im indischen Ozean zwischen zwei Inseln vor Mahé ausgesetzt. Ich hatte Reisekaugummis dabei und Ingwerbonbons, die mir sicher über die ersten Tage geholfen hätten, sollte das lustige Kerlchen nicht zurück kommen. Dafür käme aber -mit an sehr hoher Wahrscheinlichkeit grenzend- die Flut und ich hab keine Ahnung, wie weit ich meine Kamera hätte in die Höhe halten müssen.

Aber von vorne:
Mein Tagesziel war heute Moyenne Island. Eine winzig kleine unbewohnte Insel mit Riesenschildkröten, Flughunden, Piratengräber, riesigen Granitfelsen und weißen Sandbuchten. Die Insel, die ein Engländer in den 70er Jahren geschaffen hatte , ist nun der kleinste Nationalpark der Welt.

Ein Glasbodenboot, das offensichtlich ein eigenes Programm verfolgte als es mir gestern vom mehrsprachigen Guy verkauft wurde, hielt nach 30 min Fahrzeit im Ste. Anne Marine National Park. Park – mit Bäumen und Sträuchern und Sand unter den Füßen, hahaaaaa … Neeheeee, die meinen das Meeresschutzgebiet, wo besonders viele Fische rumschwimmen. Und die hier sind so zahm, dass sie aus der Hand fressen und aus Dankbarkeit von ganz allein auf das Grillrost hüpfen. Also nix mit Hurra, endlich Festland. Hier wird jetzt erst mal schön 1 Std. im glasklaren Wasser geschnorchelt, während sich das Boot sanft mit den wechselnden Winden drehte und dabei von den seichten Wellen getragen wurde. Visuell betrachtet ein wirklich tolles Bild, magentechnisch gesehen eine Horrorvorstellung.

Dan, der Kapitän schien sich fürchterlich zu langweilen und so war es nicht schwer ihn zu überreden, mich mit dem motorisierten Beiboot mal schnell nach Moyenne Island zu bringen. In knappen 4 Minuten und mit Highspeed unterwegs flogen wir über den indischen Ozean. Das war schon sehr, sehr großes Kino.

Ja, da war ich nun als erste von der Reisgruppe Tengelmann auf einer wahren Robinson Crusoe Insel. 300 x 400 m klein. Und hier gab es sie, die Riesenschildkröten, die mir beim Inselrundgang vor die Füße liefen. Mit einem freundlichen Fauchen forderten sie Aufmerksamkeit oder grünes Blattzeug. Hast du ihnen beides gegeben, waren sie artig. Die Schildkröte mit der auf dem Rücken gepinselten Nr. 13 lief mir lange hinterher. Und sie war wirklich schnell unterwegs. Also, für Schildkröten schnell. Sie wollte gekrault werden und streckte ihren Hals dabei immer weiter aus ihrem gepanzerten Zuhause. Ich glaube, die Nr. 13 bestand ausschließlich aus Hals.

Ich nutzte den kurzen Augenblick als Nr. 13 tiefenentspannt ihre Augen schloss, lief so schnell ich konnte und versteckte mich hinter einem Felsen. Ja, Wellness ist auch für Schildkröten irgendwann einmal zu Ende. Ich hörte noch kurz ein Fauchen und dann verschwand sie im Dickicht der Bäume.

Die Insel war schnell erkundet. Ich bin über Felsen geklettert, hab mich durchs Gebüsch geschlagen, lag an weißen Sandbuchten, hab alte Piratengräber besucht und wollte nun auf die Nachbarinsel Round Island, die nur 100 x 200 m groß und das tropische Nobelviertel der Seychellen ist. Da wollte ich hin, ins Hideaway der Super-VIPs, das früher übrigens Leprastation und dann Gefängnis war. Die Insel ist nur wenige 100 Meter entfernt, aber wie hinkommen, wenn nicht schwimmen? Dan, Dan der Kapitän langweilt sich sicher wieder fürchterlich mit dem Touristen-BBQ. Ein wenig mit dem Wimpern klimpern und einen unsagbar flehender Blick brachten mich an mein Ziel. Rein ins Boot und raus am Strand von Round Island. Hier werden sie also gemacht, die Neidischmalchbilder der Seychellen.

Dan denkt ja, ich sei eine russische Fotografin (siehe dazu den nächsten Beitrag), und schickte mir daher kurzerhand einen weiteren Bootstransfer der mich von paradiesischen Stand auf eine noch viel paradiesischere Sandbank bringen sollte. „Take some nice pictures …“ Ja, das war die Geschichte ganz oben im Text. Und ja, ich wurde vor der Flut wieder abgeholt.

„Akku erschöpft“ artikuliert sich meine Kamera. Und was mein Akku kann, kann ich schon lange. Es war aber auch ein sehr erlebnisreicher Tag.

Orte: Moyenne Island, Round Island, Sandbank irgendwo dazwischen
Wetter: großartige 29 Grad