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All posts for the month September, 2014

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Die Zutaten für das lecker Schlammsüppchen finden sich alle im Periodensystem wieder, dass uns jahrelang durch den Chemieunterricht begleitet hat. Ich saß immer links davon.
Die Ingredienzien sind fein ausgewählt. Wichtig: Sie dürfen keinesfalls frisch sein, sonst würde sich der wunderbar faulige und beißende Geruch nicht so geschmacksverfeinernd ausbreiten können. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist die richtige Farbwelt und Konsistenzen der Zutaten. Mystisch und grau-schwarz muss es schon sein. Schließlich isst das Auge ja mit. Das Problem allerdings ist, es ist gar nicht so einfach das ganze ganze Zeug im Truckershop um die Ecke zu finden. Wobei, mit Altöl frittieren die hier ihre Pommes auch schon mal ganz gern.

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Man weiß es nicht, sind es dicke graue Wolken oder ist es der Nebel des Grauens, der sich erbarmungslos und ohne Rücksicht auf die „Immer-mit-der-Kamera-im-Anschlag-reisenden Islandtouristen“ über die Straßen legt. Man sieht kaum das Ende der eigenen Motorhaube, geschweige denn das Fahrzeug, das vor einem fährt. Das Gute an der schlechten Weitsicht ist, man läßt sich von der eintönigen Natur drum herum nicht ablenken und kann sich dadurch besser auf die unmittelbar neben einem im Straßengraben liegenden Schafe konzentrieren. – Ich glaub, ich werde mir die Route noch einmal über Google Streetview ansehen und Bildschirmprints machen. Ich glaub, das war ganz nett hier.

Wo wir doch nun schon mal beim isländischen Straßenverkehr sind: Die Ringstraße ist, wie der Name bereits verrät ein Ring, der einmal komplett um die Insel führt. Bist du auf der Ringstraße, kannst du dich nicht verfahren. Du kommst irgendwann dort wieder an, wo du einmal losgefahren bist. Auf besagter Ringstraße gibt es laaange Strecken nur geradeaus, seeeehhhhr laaaaaange Stecken nur geradeaus. Das Gute daran, das Navigationssystem unterbricht die geführte Konversation nicht pausenlos. Es gab auf einer Strecke von 253 km genau 3 wegweisende Sätze:
1. Folgen Sie dem Straßenverlauf seeeeeehhhhhr lange.
2. Im Kreisverkehr die 2te Ausfahrt nehmen.
3. Sie haben Ihr Ziel erreicht.
Großartig! Kurze, knappe Sätze mit dem wichtigsten Inhalt – und das von einer weiblichen Stimme, vermutlich die einer Elfe.

Wetter: hä, welches Wetter
Route: von Egilsstadir nach Myvatn
km: ca. 248

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Der Tag begann mit zwei verbrannten Toasts und einem strahlendgrauen Himmel. Tief hängende Wolken, nein …. sehr tief hängende Wolken verschönerten uns den seichten Start in den Tag. Dunkle Töne, die deutlich auf eine sehr schwere Depression des Musikers hinweisen -vermutlich hat er mindestens zwei bis neun Alkohol- oder Tablettenentzüge erfolglos hinter sich gebracht- klangen bedrückt, verzweifelt, trübsinnig und resignierend aus der JBL-Anlage des nur von uns besetzten Frühstückssaals. Es war fast so, als stünde der Weltuntergang vor der isländischen Holztür. – Ach, ich liebe diese Leichtigkeit am Morgen. Was konnte diesen herrlichen Tag jetzt noch verderben? Es war dieser Satz, der es binnen Sekunden tat. Dieser kurze aber prägnante Warnhinweis verwandelte meinen persönlich funkelnden Sonnenstrahl in eine klebrigen Teerdusche, wie wir sie alle aus dem Märchen Frau Holle kennen: „It is not allowed to take anything out of the restaurant.“ Es handelte sich bei diesem „anything“ um vier winzig kleine rechteckige Kekse, die gemeinschaftlich aus der niederdrückenden Stimmung des Frühstücksbuffets ausbrechen und mich als Schlepper benutzen wollten. Bedauerlicher Weise wurde der zwischen Joghurt, Marmelade und Fischölkapseln geschmiedete Plan abrupt von der Herbergsleiterin vereitelt und ich durfte nicht eher vom Tisch aufstehen, bis ich alle Kekse aufgegessen hatte. Zur Strafe hab ich den letzten über den ganzen Tisch gekrümelt. So!!

Wetter: sprechen wir nicht drüber
Route: von Höfn nach Egilsstadir
km: ca. 333

Höfn.

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Stille.

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Island hat viele Pferde, ne Menge Kühe und unzählige Schafe. Zahlenmäßig knapp dahinter kommen sofort Fotografen. Ausgerüstet mit Highendgeräten, gigantischen Objektiven, Fotorucksäcken und -taschen, Tarnequipment und Stativen aller Preisklassen stehen sie in Rudeln auf Bergen, an Seen, vor Wasserfällen und an topgeheimen Plätzen. Es beginnt das endlos lange Aufbauen, Einrichten, Einmessen, Filter rauf- und runternehmen, Ausrichten, Stellplatz ändern, Einmessen, nochmal Stellplatz ändern, denn der Nachbar ist jetzt endlich weg und der hatte eine noch viel bessere Perspektive, ein weiteres Mal Einmessen, gewissenhaft prüfen, ob die ISO mit Blende und Zeit harmonieren und warten bis der Sonnenstrahl genau im richtigen Winkel auf das Objekt der Begierde trifft. Jeder ist mit sich, seiner Kamera und dem Foto seines Lebends beschäftigt. Keiner bewegt sich, um nicht in die Langzeitbelichtung seiner Nachbarn zu rutschen. Es ist ein friedvolles, ja gar liebevolles Miteinander, wären da nicht die ordinärem Haus- und Hoftouristen mit ihren im Supermarkt erstandenen Quicksnap-Kameras oder hosentaschenformatigen Modellen aus der Jahrtausendwende, deren Lack schon längst runtergekratzt ist und für die Batterien nur noch auf dem russischen Schwarzmarkt gehandelt werden. Unbeeindruckt der Szenerie und der Anstrengungen der Weltklassefotografen irren sie rücksichtslos und gemütlich spazierend mit ihren neonfarbenen Jäckchen und wasserdichten Hosen durchs mühsam komponierte Fotomotiv. Ich bin entsetzt über soviel Ignoranz und muss jetzt erst einmal, selbstverständlich unter Einhaltung aller Regeln der gebotenen Höflichkeit- die asiatische Reisegruppe vom Platz fegen. „Ey, weg da unten, sonst werfe ich mit Steine und glaubt mir, hier liegen ganze Felsen!“

Wetter: anthrazitfarben, laue 11 Grad, trocken
Strecke: Kirkjuklaustur – Höfn, ca. 199 km

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Völlig entspannt grasen die zottligen Tiere auf den saftigen grünen Weiden oder liegen faul am Straßenrand, lassen sich die Sonne auf die struppige Wolle scheinen und zählen vorbeifahrende Touristen oder klettern auf unglaublich hohe Berge, die ein isländischer Bauer vermutlich nie erklimmen kann. Alles in allem sind die Tiere gelangweilt, vom einsilbigen Rhythmus ihres Lebens. Es scheint nicht viel los zu sein, auf Islands satten Wiesen und Weideflächen. Keine Feinde, die das kleine Schafsherz mal so richtig in Wallung bringen, keine zerzausten Hirtenhunde, die sie bis zur Bewusstlosigkeit über die Felder jagen, ja nicht einmal geistig verwirrte Islandponys zerstören das intakte Leben einer gut geordneten Schafherde.
Daher sind immer wieder Ausreißer zu verzeichnen, die sich durch Zäune und Gitter quetschen oder einfach durch ein offenes Gatter traben, um die Welt außerhalb ihres Zäunchens zu erkunden. Diese Tiere sind hochgradige Boarderliner. Völlig ungeachtet dessen, das sie binnen Sekunden als kratziger Islandpullover oder als rosafarbenes Kotelett im Tiefkühlregal enden könnten, springen sie munter auf die Straße und zwischen den Autos hin und her. Verrückte Dinger, die.

Wetter: super, Sonne satt und blauer Himmel, 15 Grad oder so
Route: von Vik nach Kirkjuklaustur
km: ca. 389 mit einigen schönen Umwegen

Aufm Mond.

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Der frühe Morgen erwartetet uns mit saftigem Speckgeruch, der lautlos und unaufhaltsam unter unserer Tür hindurch kroch und sich sanft in die Nasenschleimhäute seiner Opfer eintätowierte. Ich hatte die Vermutung, dass bereits alle Frühstücksgäste ihren Platz um unser Bett herum eingenommen hatten und uns dabei zusahen, wie wir uns noch einmal die Decke über den Kopf zogen. Es gab irgendwann kein Verstecken und wir mussten uns der Tatasche stellen, aus dem liebevoll geschnitzten alten Holzbett aus Omas Zeiten zu kriechen.

Boh, Wetter gab es wieder keins. Hätten wir gestern mal den kleinen Pastateller für knappe 30€ bestellt, hätte heute ganz sicher die Sonne geschienen. Da wir uns aber für ein kleines Tässchen Pilzsuppe für schmale 15€ entschieden haben, meint der Himmel es heut so gar nicht gut mir uns. Der Blick nach draußen erinnert mich an eine Waschküche voller Nebelschwaden. Meine grandiose Idee, schnell wieder unter die gehäkelte Decke zu hüpfen und auf Sonnenschein zu warten, konnte sich leider nicht durchsetzen.

Der sorgsam ausgetüftelte Plan sah heute eigentlich vor, auf die Insel Heimaey zu schippern. Spontan landeten wir dann aber auf einer schwarzen Mondlandschaft mit einem gestrandeten Flugzeug. Genau das richtige Fotomotiv bei dieser hellschwarzen Wetterstimmung.

Zwei unerschwinglich teure Heißgetränke gegen frühen Nachmittag besänftigen offensichtlich den Wettergott und er ließ Milde walten. Die Sonne lachte am blauen Himmel und wir machten unser Fototour noch einmal rückwärts.

Wetter: schön ist anders, später dann super
Route: irgendwo im nirgendwo, schwarzer Strand von Vik, Kap Dyrhólaey, Vik

Zartes Grau.

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Schlechtes Wetter gibt es nicht, es gibt nur verschiedene Farbwelten.

Nach so viel blau der letzen Tage haben wir uns heute für grau entschieden, allerdings in verschiedenen Abstufungen. Es gab Variationen zwischen hell, dunkel, mittel, mal mit Nass, mal ohne, dafür aber mit Wind, dann wieder ohne und trocken. Grau passte heut eh sehr viel besser zu meinen Schuhen.

Wetter: gar keins
Route: Kratersee Kerið, Selfoss, Urriðafoss, Seljalandsfoss, Skógafoss
km: 178

On se rod.

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Nach einem lecker Frühstück mit Marmelade, Müsli und seichten Selbstmörderklängen aus den Lautsprechern -ich war ja schon immer der Ansicht, gut gemachte Deprimucke ist ein guter Start in den Tag- ging es los mit unserem sportliches Geländewagen -einem Nissan Qashqai- Richtung Golden Circle. „Bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“. Unterwegs Landschaft, viel „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ Landschaft, sehr viel Land „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ schaft. Und Pferde, Schafe, noch mehr „bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“ Landschaft. „Bitte im nächsten Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“. Jaaahaaaaaaaa.

Erster Stopp war der Nationalpark Þingvellir mit der berühmten Kirche und den 5 kleinen Häuschen, ein äußerste beliebtes Postkartenmotiv. Der Blick über den See ist atemberaubend, ein magischer Ort mit vielen Touristenbussen.

Es dampft aus der Erde, blubberndes Wasser in kleinen Tümpeln, Schwefelgeruch liegt in der Luft. Aaaaaaaaahs und Ooooooooohs aus der Ferne. Da ist der, der Strokkur. Drum herum eine Mondlandschaft, die monochrom fotografiert, an ein Schlachtfeld erinnert. Jetzt noch die Deprimucke vom Frühstück im Ohr und fertig ist der Beginn eines samstäglichen Spätfilms.

Den zahlreichen Monsterjeeps und Reisebussen folgend fuhren wir zum Gullfoss. Blauer Himmel und Sonnenschein und ein Regenbogen über dem Wasserfall. Ich hab tatsächlich Ausschau nach einem weißen Einhorn gehalten.

Weiter ging es über Stock und Stein, vorbei an Schafherden, für die wir sehr gern, sehr lange, sehr geduldig auf der Straße warteten, Reitergruppen, Islandponys, noch mehr Schafe und wieder sehr viel Landschaft zum Hjálparfoss, einem Wasserfall, der sich von zwei Seiten in die Schlucht stürtz. Wirklich schee, war es hier und keine Touristen weit und breit. – Ja, die Natur hat schon sehr viel Schönes.

Unsere Unterkunft ist ein Bauernhof. Das Zimmer ist liebevoll eingerichtet mit bestickten Kopfkissen und bunten Deckchen. Das Duschwasser hat einen dezenten Schwefelgeruch aber dafür gibts ne schöne Fußbodenheizung.

Das coole hier ist, vom kühl-designten Restaurant kannst du durch große Fenster direkt in den Kuhstall gucken und dir dein Stück Fleisch für den saftigen Burger am Objekt aussuchen :-))) Scherzle!!!! – Ja, ich find es schön, wenn Tier und Mensch so in Harmonie und Einklang miteinander leben und gemeinsam zu Abend essen.

Aber noch viel cooler sind die verrosteten Geräte auf dem Hof. Forken, Milchkannen, irgendwelches Gerät dessen Namen ich nicht mal googlen konnte und der kleine rostige Traktor, von dem nur noch das Gerippe übrig ist. Uns gefällt der Hof super!

Wetter: super!
Route: Reykjavik, Nationalpark Þingvellir, Laugarvatn, Haukadalur, Strokkur, Gullfoss, Fludir, Hjalparfoss, Skalholt
km: ca. 295

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25 km sind wir zu Fuß durch Reykjavik gelaufen. Ja, richtig so groß ist das Städtchen eigentlich gar nicht, aber wir sind kreuz und quer und hoch und runter gelaufen. Und das Ganze gleich zweimal, weil es so schön war.

Wetter: sonnig, seeeehr windig und ca. 10 Grad

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Muss man eigentlich quengelnde Kinder tolerieren oder darf man sich auch gern einmal mit Geschichtenerzählerstimme zu ihnen setzen und sie mit einem grausamen Märchen der Gebrüder Grimm erschrecken? Für dieses Vorhaben versuchte ich gerade Rotkäppchen zu rekonstruieren und überlegte, wie bildlich anspruchsvoll und farblich realistisch ich wohl die Szene ‚Wolf frißt Großmutter‘ beschreibe, als der kleine Nervtöter plötzlich Ruhe gab. Vermutlich Erschöpfung. Abgelöst wurde diese eine Sekunde der Stille durch frech-lustiges Klappern einer Monsterrassel, gefolgt von menschlichen Quietschtönen im Hochfrequenzbereich und mit der Lautstärke der Turbinen konkurrierender Dezibelzahl. Mein Trommelfell schlug Purzelbäume. Kurz vor dem Ende meiner persönlichen Tolerenzgrenze mischten sich fantastisch eintönige Sirenenklänge eines Feuerwehrspielzeugautos und die blecherne Stimme eines elektronischen Bilderbuches mit musikalischer Untermalung hinzu. Ich war kurz davor die nette Dame vom Catering zu bitten, versehentlich mit ihrem Speisewagen drüberzurollen oder den kleinen Balg wenigstens ins Klo zu sperren.

Ein zweites, drittes und viertes Kind stimmten ins Ringelreihen der lautstarken Kabinenbeschallung ein. Schreiend, weinend, brüllend und sogar pfeifend – im Dauerton und immer auf gleicher Frequenz. Ein Hochgenuss für jeden Musikliebhaber. Selbst ein Tinnitus klingt musikalischer.

Und als die Dame hinter mir offensichtlich größten Gefallen daran fand, pausenlos an meinem Sitz zu zerren, stand ich kurz vor meinem persönlichen Vulkanausbruch. Das war der Moment entweder an meinen Entspannungstropfen zu schnuppern oder fürchterlich Amok zu laufen. Ich entschied mich für ersteres. Für zweites war ich definitiv zu geschwächt und hätte auch nicht schnell genug vom Fensterplatz in den Gang springen können.

Ach, wie ausgesprochen unterhaltsam und kurzweilig doch einen Flug sein kann.

Route: Keflavik – Reykjavik, 37 km
Wetter: hellgrau, mittelgrau, dunkelgrau und stürmischer Wind von allen Seiten

Schaut genau hin, ganz da hinten sieht man die Wolke vom Bárðarbunga.

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