Hypnoseshows haben ja immer etwas Freakhaftes und Peinliches. Meist bleibt es nicht aus, dass man sich für die Teilnehmer auf der Bühne in Grund und Boden schämt oder man fluchtartig den Saal verlassen muss, weil es grauenhafter kaum werden kann. Wir saßen gezielt auf Außenplätze im 1. Rang um schnell und unbemerkt aus dem Kabinett der Peinlichkeiten verschwinden zu können.
Fest steht: Würde ein Hypnotiseur in Deutschland nach Freiwilligen suchen, müsste man diese mit Gewalt aus den ersten Reihen des Publikums zerren. Nicht so auf dem Schiff. Hier stürzten 20-30 Wahnsinnige auf die Bühne und schubsten sich gegenseitig von den bereitgestellten Stühlen. Es glich einem Kampf nach dem besten Liegestuhl, der sich jeden Morgen auf dem Sonnendeck zutragen muss. (Bedauerlicher Weise habe ich diesen noch nie persönlich beobachtet, da ich vor Sonnenaufgang noch im Bett liege und schlafe.) Man wollte nicht hinschauen – aber es war eben der dreibeinige Hund.
Das Licht ging aus, die Musik an, die sagenhafte Show des großen amerikanischen Hypnotiseurs -eine Mischung aus Thomas Anders und Andy Borg- begann: Du wirst müde, entspannst dich, du starrst auf den Punkt zwischen deinen Füßen, die Augenlider werden schwer, noch schwerer, du bist entspannt und noch entspannter und nochmal10hoch2 entspannt … das volle Programm. Er sprach so fürchterlich schnell, dass ich mir Gedanken darüber machte, ob die Freiwilligen seinen Worten überhaupt folgen konnten, denn so schnell war hier nix auf dem Schiff, nicht mal unsere tägliche Fahrtgeschwindigkeit.
Dann sortierte es aus zwischen denen, die vorgaben tiefenentspannt zu sein und denen, die dies nur wirklich sehr, sehr, seeehr schlecht vorspielen konnten. Das ging über mehrere spannende Runden so. Die schlechten Schauspieler mussten den illustreren Kreis auf der Bühne verlassen und die weniger schlechten durften sich in weiteren Runden ausprobieren. Zwischendurch ließ sich der Meister ausgiebig vom Publikum feiern. Motivation muss sein. Aloha.
Dann war es endlich soweit. Alle verbliebenen waren entspannt, willig und nicht mehr Herr ihres eigenen Körpers. Was wird der Meister wohl von seinen Hörigen verlangen? Ich fasse kurz zusammen: du bist fürchterlich traurig – winki winki; alles ist so unfassbar lustig – winki winki; du hast gefurzt, es stinkt erbärmlich und der Schuh deines Nachbars ist deine Gasmaske – winki winki; es ist eisig kalt, du frierst fürchterlich und du kuschelst dich an den neben dir sitzenden – winki winki; du spielst ein imaginäres Instrument – winki winki; und tanzt wie Michael Jackson – winki winki. Zum Schluss fällst Du auf die Knie und betest deinen großen Meister an – winki winki. – Wow. – Nee, ja, doch, das war schon sehr beeindruckend. Ich war hin und her gerissen zwischen ekstatischem Applaus und leisem Wimmern, er möge doch endlich damit aufhören. Nach dieser Vorstellung fragte ich mich ernsthaft, ob es nicht besser wäre, das Publikum ausschließlich hypnotisiert in diese Show zu lassen, damit die folgenden Peinlichkeiten sich nicht in die Erinnerung einbrennen oder schlimmer noch, weitererzählt werden können.
Egal.
Winki winki, das Zauberwort habe ich mir jedenfalls gemerkt. Und ich werd es morgen an verschiedenen Objekten ausprobieren. Vielleicht fange ich mit den Leuten an, die immer die runden Bastkörbchen reservieren – ich lasse sie reihenweise ins Meer hüpfen. Winki winki.